Guatemala / Politik

"Wahlputsch" in Guatemala vorerst abgewendet, linke Partei zur Stichwahl zugelassen

Suspendierung der Partei Semilla aufgehoben. Stichwahl kann am 20. August stattfinden. Linke Kräfte vereint wie lange nicht mehr

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"An den Urnen, nicht in den Gerichten – Das Volk hat bereits gewählt": Die Proteste gegen den versuchten "Wahlputsch" haben Wirkung gezeigt
"An den Urnen, nicht in den Gerichten – Das Volk hat bereits gewählt": Die Proteste gegen den versuchten "Wahlputsch" haben Wirkung gezeigt

Guatemala-Stadt. Das Verfassungsgericht in Guatemala hat am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) überraschend der einstweiligen Verfügung der Partei Movimiento Semilla gegen ihre am Vortag verfügte Suspendierung stattgegeben. Hierdurch ist nach aktuellem Stand der Weg frei für die Stichwahl am 20. August, bei der der sozialdemokratische Kandidat Bernardo Arévalo vom Movimiento Semilla und Sandra Torres von der Partei Einheit der Nationalen Hoffnung (UNE) gegeneinander antreten.

Am Mittwoch hatte die 7. Strafkammer auf Antrag der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straffreiheit (FECI) Semilla supendiert, wodurch ihr der Weg zur Stichwahl verwehrt worden wäre. Als Begründung hatte der Leiter der Sonderstaatsanwaltschaft, Rafael Curruchiche, angegeben, dass seit Mai 2022 laufende Ermittlungen ergeben hätten, dass Mitgliederlisten der Partei gefälscht worden seien. Ein Bürger habe im Mai 2022 angeprangert, dass sein Name "illegal" auf Mitgliedslisten der Partei zu finden sei. "Nachforschungen" hätten gezeigt, dass bei bis zu 5.000 Mitgliedern der Partei "Unterschrift und Handschrift" gefälscht und der nötige Fingerabdruck von einer Person für mehrere geleistet worden sei, so der FECI-Leiter auf einer Pressekonferenz am Mittwochabend.

Parteien müssen in Guatemala mindestens 25.000 Mitglieder haben, um sich als politische Partei zu konstituieren. Auch habe Semilla ihren "25.000 Mitgliedern" pro Mitglied sieben Quetzales (0,80 Euro) gezahlt, ohne die Herkunft der Finanzierung bekanntzugeben.

Rafael Curruchiche selbst ist auf der sogenannten "Engels-Liste" zu finden, auf der die USA Personen führen, denen sie Korruption und "undemokratische Verhaltensweisen" zur Last legen.

Der Versuch, die Teilnahme von Semilla an der Stichwahl zu verhindern, war bereits der zweite nach den Wahlen vom 25. Juni. Eine Woche nach den Wahlen hatte das Verfassungsgericht einem Antrag stattgegeben, die Protokolle der Wahlvorstände zu überprüfen, ohne dass diese jedoch eine Änderung am Wahlergebnis zu Tage gebracht hätte. Einen Antrag von vier Parteien zur Nachzählung "jeder einzelnen Stimme" hatte der Oberste Gerichtshof am vergangenen Montag wiederum abgelehnt.

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Tausende kamen zu den Auftaktkundgebungen des Wahlkampfs von Semilla. Am Mikrophon Bernardo Arévalo
Tausende kamen zu den Auftaktkundgebungen des Wahlkampfs von Semilla. Am Mikrophon Bernardo Arévalo

Nur wenige Minuten nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichtes zur Suspendierung von Semilla gab das Oberste Wahlgericht das Wahlergebnis offiziell bekannt und bestätigte die Stichwahl am 20. August zwischen Bernardo Arévalo und Sandra Torres. Auf der Pressekonferenz erklärte die Präsidentin des Wahlgerichts, Irma Palencia, "keine Kenntnis von der Entscheidung der Strafkammer zu haben" und bekräftigte ihre Aussage der Vortage: "Wahlen werden an den Urnen gewonnen oder verloren, nicht bei den Gerichten".

Am Mittwoch und Donnerstag hatte es bereits in der Hauptstadt und in mehreren Departamentos Proteste gegen die Suspendierung von Semilla gegeben. Am Donnerstagnachmittag versammelten sich Anhänger vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft, wo Vertreter der Partei eine Strafanzeige gegen die FECI einreichten.

Auch durch den Gegenwind aus Reihen des herrschenden "Pakt der Korrupten" stellen sich Guatemalas Linke und soziale Bewegungen in Jahrzehnte nicht gekannter Einigkeit hinter Semilla. Mobilisierungsstarke indigene Organisationen wie die "48 Kantone" aus Totonicapán sowie die "Alcaldes Indígenas" aus Sololá hatten bereits für den Wochenbeginn Proteste angekündigt und diese erst nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorläufig ausgesetzt.

In Guatemalas zweitgrößter Stadt Quetzaltenango unterzeichneten indes verschiedene Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die drei weiteren linken Parteien URNG-MAIZ, Winaq und MLP eine gemeinsame Erklärung zur "Respektierung des Wahlergebnisses".

Am vergangenen Freitag eröffnete Semilla offiziell ihren Wahlkampf für die Stichwahl. In Sololá und Quetzaltenango wurden Kundgebungen abgehalten. In Quetzaltanango, wo Arévalo bei der ersten Wahlrunde rund 32 Prozent der Stimmen bekam, versammelten sich am Nachmittag tausende Menschen zu einer Wahlkampfveranstaltung im Parque Central. Am Abend folgten noch gut 1.000 Menschen dem Aufruf zu einem Bürgerdialog im Centro Intercultural. Fast zwei Stunden stellten sich Bernardo Arévalo und seine Vizepräsidentschaftskandidatin Karin Herrera den Fragen aus dem Publikum und von der Presse, die sich unter anderem um die Zukunft der öffentlichen San-Carlos-Universität, die hohe Migration und Probleme im Bildungs- und Gesundheitswesen drehten.