Ecuador / Soziales

Rentenreform in Ecuador: Gewerkschaften drohen Regierung

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José Villavicencio, Präsident der FUT, kündigt Mobilisierungen an, falls die Regierung den Vorschlägen der Kommission nachkommt
José Villavicencio, Präsident der FUT, kündigt Mobilisierungen an, falls die Regierung den Vorschlägen der Kommission nachkommt

Quito. Der Dachverband der ecuadorianischen Gewerkschaften (Frente Unitario de Trabajadores – FUT) lehnt die Vorschläge zur Reform des staatlichen Rentensystems ab und droht dem ecuadorianischen Präsidenten Guillermo Lasso bei einer Annahme mit einer Mobilisierung "wie in Frankreich". Dies hat FUT-Präsident José Villavicencio gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsführer:innen auf einer Pressekonferenz am Donnerstag verkündet.

Die Vorschläge zur Rentenreform wurden von einer Kommission erarbeitet, die Präsident Lasso im Januar eingesetzt hatte. Deren Vorsitzender, Augusto de la Torre, sagte, dass das staatliche Rentensystem in der derzeitigen Form nicht überlebensfähig sei. Die Kommission sieht ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem die Anzahl der Beitragsjahre, die für einen Renteneintritt erforderlich ist, anheben würde. Die Berechnung für die Höhe der Rentenausschüttung soll von den derzeit fünf einzahlungskräftigsten Jahren auf dreißig ausgeweitet werden. Durch den hohen Anteil an informeller Arbeit in Ecuador ist es für die abhängig Beschäftigten ungleich schwerer, auf die geforderte Zahl von Beitragsjahren zu kommen.

De La Torre zufolge mache es das derzeitige System zu attraktiv, dass Personen erst wenige Jahre vor der eigenen Rente beitreten und anschließend dennoch hohe Summen kassieren. Noch gravierender, so De la Torre, sei der demographische Wandel, der in Lateinamerika und Ecuador viel schneller vonstatten gehen würde als erwartet. Dies habe dazu geführt, dass derzeit nur mit etwa fünf Beitragszahlenden pro Empfänger:in gerechnet werden könne statt den benötigen acht. In wenigen Jahren könnten es sogar nur vier oder weniger sein.

Ángel Sánchez, Generalsekretär der Konföderation der freien Gewerkschaftsorganisationen (Confederación Ecuatoriana de Organizaciones Sindicales Libres - CEOSL), einer der wichtigsten Gewerkschaften des Landes und Mitglied der FUT, erwiderte, dass der wahre Grund für die Probleme des Systems darin bestehe, dass die Regierung ihre Schulden in Höhe von 24 Mrd. US-Dollar beim Institut für Soziale Sicherheit (Instituto Ecuadoriano de Seguridda Social – IESS), dem Träger des staatlichen Rentensystems, nicht bezahlt habe. Die CEOSL wirft der Kommission vor, dass deren Vorschläge darauf abzielten, "die in der Verfassung und im Sozialversicherungsgesetz verankerten Rechte zu zerstören, wovon Mitglieder und Rentner:innen betroffen sind". Seitens der FUT wird zudem kritisiert, dass in der Kommission weder Arbeiternehmer:innen noch das IESS beteiligt sind.

Ob Lassos Regierung die Vorschläge der Kommission annehmen wird, ist bislang nicht bekannt. Wenn es nach Villavicencio geht, sollte die Regierung gar keine Entscheidung treffen, da diese nicht imstande sei, die Probleme des Landes zu lösen, und in wenigen Wochen ohnehin abtreten wird.

Nach den wochenlangen Protesten der Indigenen Organisationen im vergangenen Jahr, Korruptionsskandalen, der Eskalation der Gewalt im Land, und einem Streit zwischen Regierung und Parlament hat Präsident Lasso enorm an Rückhalt verloren. Um einer Antsenthebung zu entgehen, löste er im Mai die Nationalversammlung auf, was automatisch zu Neuwahlen im August führen wird. Lasso möchte dann nicht mehr antreten.