"Rassismus und Verleugnung": Resolution gegen Mapuche in Argentiniens Provinz Mendoza

Provinzparlament negiert Verfassungsrechte der indigenen Gemeinschaft und erklärt, Mapuche seien "kein urprünglich argentinisches Volk"

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Protestkundgebung verschiedener Mapuche-Organisationen vor dem Parlament in Mendoza
Protestkundgebung verschiedener Mapuche-Organisationen vor dem Parlament in Mendoza

Mendoza. Das Parlament der westargentinischen Provinz Mendoza hat die ansässigen Mapuche zu einem "nicht ursprünglich argentinischen Volk" (pueblo no originario argentino) erklärt.

Vorausgegangen war ein Beschluss des Nationalen Instituts für Indigene Angelegenheiten (INAI), rund 21.500 Hektar Land für Mapuche-Gemeinschaften zu demarkieren.

Die Parlamentsresolution wurde auf Initiative von Gouverneur Rodolfo Suárez eingebracht und mit der Regierungsmehrheit seiner Mitte-Rechts Partei Union Cívica Radical mit 30 zu 18 Stimmen angenommen. Das INAI wird darin aufgefordert, die Demarkierung zurückzunehmen. Den Mapuche sollen zudem die in Artikel 75, Paragraph 17 der Verfassung verankerten Schutzrechte entzogen werden.

Dabei geht es um das Recht der indigenen Gemeinschaften auf den Status als juristische Person und auf "Besitz und gemeinschaftliches Eigentum der von ihnen traditionell bewohnten Territorien".

Verschiedene indigene Gruppen hatten während der Sitzung vor dem Parlamentsgebäude protestiert. Die betroffenen Gemeinschaften bezeichnen die Resolution, die ihr jahrhundertealtes Recht auf Gemeinschaftsland verletzt, als "rassistisch und verleugnend".

Laut Gabriel Jofré, Sprecher der Mapuche-Organisation Mala Weche, wurde das Maß bisheriger Anfeindungen überschritten und ein "struktureller Rassismus" beschlossen. Infrage gestellt seien Errungenschaften der 40-jährigen Demokratie in Argentinien, zu denen die Anerkennung der Rechte von Indigenen zählt.

Die Resolution hat landesweit Empörung hervorgerufen. Anthropolog:innen und Historiker:innen stellen klar, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für den Ausschluss der Mapuche gebe. Ihre Selbstbezeichnung ist erst im 18. Jahrhundert als Oberbegriff für verschiedene regionale Identitäten entstanden.

Auch das INAI sowie das Sekretariat für Menschenrechte und das Nationale Institut gegen Diskriminierung, Xenophobie und Rassismus sehen in der Resolution einen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Schwerwiegend sei es, dass die Verletzung von Menschen- und Minderheitenrechten von jenen Staatsorganen ausgehe, die diese zu schützen hätten.

Die Provinz Mendoza ist rund 148.000 Quadratkilometer groß und hat zwei Millionen Einwohner:innen. Wirtschaftlich dominieren Tourismus und Landwirtschaft. Beim Zensus von 2010 bezeichneten sich rund 205.000 Argentinier:innen als Mapuche, in der Provinz Mendoza waren es 6.132. Schätzungen gehen von einer bis doppelt so großen Zahl aus.

Rund 60 Prozent der argentinischen Mapuche sind in den südlich von Mendoza gelegenen Provinzen (Neuquén, La Pampa, Rio Negro, Santa Cruz, Chubut) ansässig. Dort liegen auch große Erdöl- und Erdgasvorkommen.

Unterdessen zirkulieren Begriffe wie "Pseudo-Mapuche" oder "selbstwahrgenommene Mapuche" in den regierungsnahen Medien in der Provinz.

Die Mapuche selbst verstehen sich als "plurinational". Fabricio Silva, Sprecher der We Newen Gemeinschaft, erklärte: "Wir sind Mapuche und zugleich argentinische Staatsbürger. Wir wählen, zahlen Steuern und erfüllen unsere Bürgerpflichten". Er nennt die Resolution gewalttätig und einen Versuch, "indigene Identität von Argentinien fernzuhalten".

Die Mapuche als "zugewandert" zu bezeichnen, ist für Beobachter Teil der Strategie, ein negatives Bild von Indigenen zu zeichnen, um die Beschränkung ihrer Rechte und das Eindringen in ihre Territorien zu rechtfertigen.

Nach Auffassung von José Luis Ramón, Abgeordneter der Frente de Todos, gibt es für die Provinzregierung offensichtlich Bürger:innen erster und zweiter Klasse.

Die Tageszeitung Pagina 12 sieht eine orchestrierte Kriegsführung am Werk: Diskreditierung der Mapuche-Volkes durch die Medien, Unterstützung durch einen Teil der Intellektuellen, gesellschaftliche Verurteilung, Richter, die die Rechte der Indigenen ignorieren, und schließlich die Annahme der Resolution.

Der Konflikt hat eine lange Geschichte, die Indigenen haben in Argentinien ständig mit Diskriminierung und Verleugnung ihrer Rechte zu kämpfen

Erst vor einigen Wochen hat etwa die "Plurinationale Versammlung Argentiniens", in der sich indigene, afro-argentinische und andere Gruppen zusammengeschlossen haben, Strafanzeige gegen Miguel Picetti vom Bundesrechnungshof wegen "psychologischer und verbaler Gewalt" sowie "Diskriminierung und Anstiftung zum Rassenhass" gestellt. Picetti hatte die Mapuche als "eingedrungenes Volk" bezeichnet, das aus Chile stamme. "Zum Glück" habe General Julio Roca die "Wüstenkampagne" (campaña del desierto) durchgeführt. Bei dem militärischen Feldzug, mit dem 1878-1880 der Südwesten des Landes für die weißen Sieder "erschlossen" wurde, sind tausende Mapuche und andere Indigene ermordet, vertrieben oder nach Buenos Aires verschleppt und versklavt worden.

Die Verfechter der Resolution verhehlen nicht, dass große wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Das Provinzparlament wolle mit der Resolution die vom Gouverneur angestrebte Ausbeutung der Öl-, Rohstoff- und Wasserreserven sichern. Die Provinz ist für circa 14 Prozent der nationalen Ölförderung verantwortlich und will diesen Anteil erhöhen.

Das Mapuche-Territorium grenzt an die "Vaca Muerta" an, eine der größten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt, deren bis zu 500 Meter dicke Schichten sich über die Provinzen Neuquén, Rio Negro, La Pampa und Mendoza erstrecken. Seit Jahren wird die Erschließung des Gebiets (in dem auch Fracking stattfinden soll) mit Beteiligung internationaler Konsortien vorbereitet, was mit der Demarkierung für die Mapuche behindert würde.