Argentinien / Politik

Skandalprozess in Argentinien: Ex-Präsidentin Kirchner soll für zwölf Jahre ins Gefängnis

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Vizepräsidentin Kirchner mit Präsident Alberto Fernández
Vizepräsidentin Kirchner mit Präsident Alberto Fernández

Buenos Aires. Nach einem Schlussplädoyer, das neun Sitzungstage in Anspruch nahm, hat die Staatsanwaltschaft heute eine Haftstrafe von zwölf Jahren gegen die ehemalige argentinische Präsidentin und aktuelle Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner gefordert. Zudem soll sie keine öffentlichen Ämter mehr ausüben dürfen.

Die Regierung gab wenige Minuten nach dem Auftritt von Staatsanwalt Diego Luciani eine Erklärung ab, in der sie "die gerichtliche und mediale Verfolgung" gegen die derzeitige Vizepräsidentin verurteilte. Der Text stellt klar, dass "keine der der ehemaligen Präsidenten zugeschriebenen Taten bewiesen wurde". Präsident Alberto Fernández bekundete Kirchner "seine tiefste Zuneigung und Solidarität".

Laut Luciani wurde in dem Prozess bewiesen, dass sie der Kopf einer illegalen Vereinigung gewesen sei, die für die Kanalisierung von öffentlichen Aufträgen an befreundete Unternehmer zuständig war (amerika21 berichtete). Die während des Plädoyers gestellten Behauptungen stehen laut Prozessbeobachtern jedoch weitestgehend im Widerspruch zu den Zeugnissen und Beweisen, die im Prozesses vorgelegt wurden.

Luciani bezog sich zudem auf Zeugen, die in diesem Prozess nicht gehört, und auf vermeintliche Beweise, die bisher nicht bekannt waren. Der bekannte Professor und Verfassungsrechtler Eduardo Barcesat bezeichnete den Auftritt der Staatsanwälte als skandalös und "ekelerregend". Sie hätten die Prozessordnung und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Währenddessen kamen einige brisante Informationen zu Tage: Die Tageszeitung Pagina 12 veröffentlichte Fotos, auf denen Luciani und einer der zuständigen Richter, Rodrigo Giménez Uriburu, zusammen im Fußballteam namens Liverpool bei einem Turnier auf dem Landsitz von Ex-Präsident Mauricio Macri spielten. In den folgenden Tagen gab es weitere Bilder, die zeigten, dass auch einer der zuständigen Kassationsrichter, Mariano Llorens, teilnahm.

Macri selbst hatte dem chinesischen Premierminister Xi Jinping bei einem Staatsbesuch stolz ein Video gezeigt, bei dem er ein Tor gegen gerade dieses Team schoss. Seine offizielle Biographin hatte vor zwei Jahren geschrieben, dass sich der innere Kreis seines Vertrauens beim Fussballspiel auf seinem Landsitz Los Abrojos traf.

Der zweite der drei zuständigen Richter, Jorge Gorini, hatte mehrere Treffen mit der damaligen Sicherheitsministerin Patricia Bullrich, die in diesem Fall als Nebenklägerin auftrat.

Die Onlinezeitung El Destape fand zudem heraus, dass der zweite Staatsanwalt, Sergio Mola, ebenfalls Besuche im Präsidentenpalast machte und sich dort mit Fabian Rodriguez traf, den derzeit in Uruguay flüchtigen Organisator der "Mesa Judicial" (Runder Tisch der Justiz) und Richter-Manipulator Macris (amerika21 berichtete). Mola nahm auch an Treffen in der US-Botschaft teil.

Bereits vorher war bekannt, dass die von Macri in das strategische Kassationsgericht versetzten anderen beiden Richter, Mariano Borinski und Gustavo Hornos, den Präsidenten mehrfach besucht hatten. Ein Ablehnungsgesuch seitens der Verteidiger vom Beginn des Prozesses wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen.

So hatten beide Staatsanwälte, zwei der drei Richter der ersten Instanz und alle drei Richter des Kassationsgerichts Beziehungen untereinander bzw. Kontakt mit den Klägern der Regierung Macri während des Prozesses.

Die Verteidiger Kirchners stellten daraufhin Befangenheitsanträge gegen Staatsanwälte und Richter, die erwartungsgemäß zurückgewiesen wurden. Die Berufung dagegen wird von den ebenfalls als befangen betrachteten Richtern der Kassationskammer, Hornos, Borinski und Llorens entschieden.

Während die rechtsgerichtete Presse der großen Mediengruppen, die seit Wochen die Aktionen der Ankläger voraussagt, den Staatsanwalt als Helden feiert, wächst auf der anderen Seite die Entrüstung.

In Buenos Aires und in Tucuman gab es bereits Demonstrationen gegen den Justizmissbrauch und zur Unterstützung der Vizepräsidentin. Die Puebla-Gruppe internationaler linksgerichtetet Politiker sieht in diesem Fall einen weiteres Beispiel des Missbrauchs der Justiz gegen politische Gegner (Lawfare), in einer Linie mit den Prozessen gegen Lula da Silva, Rafael Correa, Evo Morales und Dilma Rousseff.