Chile / Menschenrechte

Ermittlungen in Chile gegen Erzbischof Piñera wegen sexuellen Missbrauchs

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Logo des Netzwerkes für Überlebende von kirchlichem Missbrauch in Chile
Logo des Netzwerkes für Überlebende von kirchlichem Missbrauch in Chile

Rom/Santiago. Der Vatikan hat Ermittlungen gegen Bernardino Piñera Carvallo, den ehemaligen Erzbischof der nordchilenischen Küstenstadt La Serena, eingeleitet. Dem ehemalige Priester, der ein Onkel des amtierenden Staatspräsidenten Sebastián Piñera ist, wird laut einem Dokument des Vatikans vorgeworfen, vor mehr als 50 Jahren einen Minderjährigen sexuell missbraucht zu haben.

Bernardino Piñera kündigte an, an der Aufklärung mitzuarbeiten, bestreitet jedoch die Vorwürfe: "Ich bezeuge, dass ich in meinem langen Priesterleben, das 1945 begann, immer ein einwandfreies Verhalten an den Tag gelegt habe", heißt es in einem Kommuniqué.

Staatschef Piñera zweifelt an der Glaubwürdigkeit der Anzeige. "Es fällt mir schwer, einer Anzeige glauben zu schenken, die mehr als 50 Jahre nach möglichen Taten gegen einen Mann gemacht wird, der heute 103 Jahre alt ist."

Diese Aussage des Präsidenten löste heftigen Widerspruch unter Opfern kirchlichen Missbrauchs aus. "Indem er den Wahrheitsgehalt des Berichts anzweifelt, hat er alle Opfer beleidigt", so der Sprecher des Netzwerks der Überlebenden, Helmut Kramer.

In Chile waren in den letzten Jahren immer wieder Fälle von systematischem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche öffentlich geworden. In La Serena war Erzbischof Francisco José Cox wegen sexuellen Missbrauchs exkommuniziert worden. Bernardino Piñera wurde vorgeworfen, die Fälle verschleiert zu haben.

Erst im vergangenen Juli hatte Präsident Piñera angesichts der zahllosen Fälle das Gesetz "Unverjährbarkeit von Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen" erlassen. Insgesamt wird in Chile wegen 158 Fällen sexuellen Missbrauchs mit 241 Opfern gegen 219 Mitglieder der katholischen Kirche ermittelt. Die Dunkelziffer an nicht angezeigten Vorfällen liegt vermutlich viel höher.

Für besonderes Aufsehen hatte der Fall von Fernando Karadima gesorgt, der über Jahre hinweg in Santiago – von der katholischen Kirche gedeckt – Kinder missbraucht hatte. In der Folge der vielen Skandale war Mitte 2018 ein Großteil der chilenischen Bischöfe zurückgetreten.