Farc-Politiker Santrich in Kolumbien verschwunden

Gerüchte über geplantes Attentat. UNP, Farc-Partei und Präsident Duque fordern Santrich auf, "wieder aufzutauchen", um Abkommen zu erfüllen

santrich_farc_kolumbien_2018.jpg

Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen
Jesús Santrich, Führungsperson der ehemaligen Farc-Guerilla, ist in dieser Woche in Venezuela ums Leben gekommen

Bogotá. Der ehemalige Farc-Guerillero und jetzige Kongressabgeordnete Seuxis Paucias Hernández Solarte alias Jesús Santrich gilt seit Sonntag als vermisst. Fest steht bisher nur, dass er sich dem ihm gewährten Schutzmechanismus durch die Nationale Schutzeinheit UNP (Unidad Nacional de Protección) entzogen hat, wie die UNP noch am Sonntag in einer Pressemitteilung erklärte. Dies rief seitdem unterschiedliche Reaktionen hervor.

Laut UNP ist der Aufenthaltsort Santrichs unbekannt. Zuletzt soll er sich in der Wiedereingliederungszone Tierra Grata in La Paz in der Provinz Cesar aufgehalten haben. Angeblich wurde dort ein Schreiben gefunden, in dem er erklärt, zu seinem Sohn nach Vallepudar gefahren zu sein. Dieser wusste auf Nachfrage des Portals Blu Radio jedoch nichts von seinem Vater, er sei dort nicht angekommen.

Die UNP erinnerte daran, dass Santrich eine "Schutzperson mit hohem Risikopotential" sei. Deswegen sei sie dazu verpflichtet, seinen Aufenthaltsort umgehend herauszufinden, um seinen Schutz gewährleisten zu können. Außerdem zeigte sie sich verwundert, dass er sich der UNP entzogen habe, da diese auch durch Vertrauenspersonen der Farc-Partei besetzt sei. Die UNP forderte wiederum die Farc-Partei auf "zusammenzuarbeiten", um Santrich "die Schutzmaßnahmen zu geben, die seinem Status als Parlamentarier entsprechen, und die ihm Freiheit und Mobilität auf dem gesamten Staatsgebiet ermöglichen". Die getroffenen Aussagen, immer über seinen Aufenthaltsort informiert sein zu müssen, widersprechen allerdings der Santrich gegenüber suggerierten Freiheit.

Auch die Farc-Partei forderte in einem Kommuniqué Santrich dazu auf, mit seiner "Anwesenheit die Pflichten des Friedensabkommens" zu erfüllen und erinnerte daran, dass sich alle demobilisierten Kämpfer wie heutige Abgeordnete an die vereinbarten Regeln zu halten hätten. Ansonsten müssten die entsprechenden Personen "mit den Konsequenzen leben". Damit lag die Partei sehr nahe an den Forderungen von Präsident Iván Duque, der erklärte, Santrich müsse sich umgehend melden und dürfe der Justiz den Zugriff nicht verwehren.

Die politische Bewegung Movimiento Ciudadano aus Barranquilla hatte am Sonntag erklärt, man habe Santrich zu einer "Ehrung aus Anlass seiner kürzlich erlangten Freiheit" erwartet, zu der er aber nicht erschienen war. Organisatoren der Veranstaltung wussten danach zu bestätigten, dass der Kongressabgeordnete das Land verlassen habe, "da ein Attentat gegen ihn in Vorbereitung sei." Aus diesem Grund habe Santrich seine Teilnahme kurzfristig abgesagt, aber auch, weil zu befürchten sei, dass er gefangen genommen und ausgeliefert werde.

Santrich war im April 2018 von kolumbianischen Behörden auf Druck der US-Antidrogenbehörde DEA festgenommen worden. Seitdem drängte die USA auf seine Auslieferung, da er angeblich in Kokain-Geschäfte verwickelt sei. Am 15. Mai wurde er von der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) freigesprochen. Unmittelbar nach seiner Freilassung am 17. Mai nahm die Generalstaatsanwaltschaft ihn erneut fest. Am 29. Mai 2019 ordnete der Oberste Gerichtshof Kolumbiens schließlich die Entlassung an, da dieser sich als Kongressabgeordneter vor dem Gerichtshof und nicht vor der Generalstaatsanwaltschaft zu verantworten habe.

Für den 9. Juli ist die entsprechende Anhörung vor dem Gerichtshof angesetzt. Inwiefern die Ungewissheit über den Aufenthaltsort Santrichs damit in Verbindung steht, ist momentan nur Spekulation, auch wenn sich Präsident Duque am gestrigen Montag sicher war, dass es Santrich darum gehe, sich dem Termin zu entziehen.

Vertreter der rechten Partei Centro Democrático von Präsident Duque brachten den Fall und ihre Ablehnung der Person Santrich mit der Annahme zum Ausdruck, er befinde sich längst auf venezolanischem Staatsgebiet und führe dort "seine mafiösen Aktivitäten" fort.