Morelos. Die umstrittene Umfrage über das Elektrizitäts-Kraftwerk Huexca in Zentralmexiko, in deren Vorfeld ein Aktivist erschossen wurde, hat am vergangenen Wochenende stattgefunden jedoch keine Klarheit gebracht. Rund ein Dutzend Gemeinden, die sich wegen der unkalkulierten Umweltrisiken gegen das "Proyecto Integral Morelos" (PIM) der mexikanischen Energiekommission wehren, führten verschiedene Protestaktionen durch.
Im Bezirk Temoac, wo der Aktivist Samir Flores Soberanes drei Tage vor der Umfrage ermordet wurde, verhinderte die Protestbewegung die Befragung, indem sie die Urnen verbrannte. In Ciudad Ayala, Geburtsort des mexikanischen Revolutionärs Emiliano Zapata, beteiligte sich die Bevölkerung, stimmte jedoch zu über 90 Prozent gegen das PIM. Ayala blockiert mit einem Protestcamp und einer juristischen Verfügung die Fertigstellung eines Aquädukts, das Wasser aus dem Fluss Cuautla in das Kraftwerk umleiten soll. In anderen Orten verweigerte sich die indigene Bevölkerung dem Prozedere der staatlichen Umfrage, hielt jedoch gleichentags Versammlungen nach ihren Gebräuchen ab, in denen die Anwesenden per Unterschriftenliste ihre Meinung zum Projekt kundgaben. So äußerten sich in Hueyapan, am Fuß des aktiven Vulkans Popocatépetl gelegen und von einer Gasleitung des PIM betroffen, 1.114 Nahua-Indigene gegen das Projekt, 5 dafür.
Am Montagmorgen verkündete Präsident Andrés Manuel López Obrador das Resultat der Umfrage, die in allen 36 Bezirken des Bundesstaates Morelos sowie in vom Projekt direkt betroffenen Gemeinden in Puebla und Tlaxcala stattfand. Insgesamt stimmten 59,5 Prozent für das Projekt, 40,1 Prozent dagegen. Gerade mal 55.715 Personen (2,2 Prozent der Stimmberechtigten) beteiligten sich an der Befragung, welche die Energiebehörde, die das Projekt leitet, und nicht etwa das Wahlinstitut durchführte.
Der wenig überraschende Ausgang der Befragung ergab sich durch die Mobilisierung der Basis der Regierungspartei Morena und staatlicher Funktionäre in Orten wie Cuernavaca, der Hauptstadt von Morelos.
López Obrador, in Wahlkampfzeiten klarer Gegner des Projekts, hatte sich vor der Abstimmung für die Fertigstellung des Kraftwerks in Huexca ausgesprochen, damit die bisher getätigten Investitionen in der Höhe von gut einer Milliarde Euro nicht vergebens seien. Er gab zwar zu, dass die Befragung unter Bedingungen von “sozialen Spannungen” stattfand, nannte jedoch die Protestaktionen “Provokationen”, die nur das Ziel gehabt hätten, die Umfrage zu verhindern.
Die in der "Front der Völker zur Verteidigung des Wassers, des Bodens und der Luft” (Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra y Agua, FDATA) organisierten Gemeinden antworteten auf die “Siegeszahlen” des Präsidenten mit einer anderen Lektüre: Gemäß ihrer Auszählung der Stimmen in den direkt betroffenen Bezirken wird das Projekt mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt. Zudem kritisieren sie die massive Verletzung der indigenen Rechte, denn das Verfahren habe keinesfalls den in der ILO 169 festgelegten Normen einer indigenen Befragung entsprochen. Diese Umfrage sollte laut FDATA der “Gnadenschuss” gegen die Dörfer sein, die sich seit 2010 gegen das Projekt wehren. Sie kündigten an, dass mit ihrem territorialen Widerstand weiterhin zu rechnen sei. Zudem fordern sie Gerechtigkeit für Samir Flores. Auch eine Woche nach dem Mord in Amilcingo, Bezirk Temoac, wurde bisher noch niemand verhaftet.