Regierung in Venezuela gibt Wirtschaftsreformen bekannt

Maduro kündigt Währungsumstellung, Steuerbefreiung und Änderungen in der Devisenkontrolle an. Erdölfeld geht von PDVSA in Besitz der Zentralbank über

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Venezuelas Präsident Maduro gab gemeinsam mit seinem Kabinett die Wirtschaftsreformen bekannt
Venezuelas Präsident Maduro gab gemeinsam mit seinem Kabinett die Wirtschaftsreformen bekannt

Caracas. Eine Reihe von Wirtschaftsreformen sollen in Venezuela zur Stabilisierung der Landeswährung sowie zum Aufbau internationaler Reserven beitragen und die Produktion anregen. Auch eine weitere Öffnung des Systems der festen Wechselkurse ist vorgesehen.

"Das ganze Land schreit nach großen wirtschaftlichen Veränderungen, nach Stabilität, Wohlstand und der Befriedigung der Bedürfnisse unseres Volkes", so Präsident Nicolás Maduro. "Ich bitte um euer Vertrauen und eure Unterstützung, jenseits von Ideologien und politischen Positionen, denn Venezuela braucht diese Veränderung".

Laut einer kürzlich vom Meinungsforschungsinstitut Hinterlaces durchgeführten Umfrage halten 58 Prozent der Befragten Maduro für die geeignete Person, um die Wirtschaftsprobleme zu lösen.

Die erste Maßnahme ist eine weitere Verschiebung und Änderung der geplanten Währungsumstellung, die den Bolívar Fuerte (Bsf) durch den Bolívar Soberano (Bss) ersetzt. Die ursprünglich für den 4. Juni geplante Umstellung war nach Gesprächen mit Bankiers aufgrund mangelnder Vorbereitung auf den 4. August verschoben worden. Jetzt soll sie "definitiv" am 20. August erfolgen. Außerdem werden fünf statt der geplanten drei Nullen aus der Landeswährung gestrichen.

Der "Souveräne Bolívar" wird in der Kryptowährung Petro verankert, deren Wert wiederum an den Preis des venezolanischen Erdöls gekoppelt ist. Der im Februar eingeführte Petro ist immer noch auf den internationalen Handel beschränkt und für die Bevölkerung nicht zugänglich. Dies soll offenbar geändert werden. Er unterliegt einer Reihe von Finanzsanktionen der Regierung der USA, die US-Bürger und -Unternehmen vom Handel in dieser Kryowährung ausschließen.

Bei der Ankündigung der Umstellung im Mai hatte Maduro versichert, sie werde die steigende Inflation in Venezuela eindämmen, die laut einem aktuellen Bericht des Internationalen Währungsfonds in diesem Jahr eine Million Prozent erreichen könnte. Kritiker zweifeln die Wirksamkeit an und verweisen darauf, dass dies nur funktionieren werde, wenn zusätzlich weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation ergriffen werden.

Maduro erklärte zudem, dass er einen Vorschlag zur Reform des Gesetzes über den illegalen Geldwechsel von 2008 vorgelegt hat. Ohne den Inhalt offen zu legen, führte der Präsident aus, dass damit ausländische Investitionen gefördert und "die Barrieren des Gesetzes beseitigt werden, das anderen Zeiten entspricht". Der "freie Fluss von Investitionen, die das Land braucht", solle ermöglicht werden. Dies sei Teil einer Umgestaltung der Volkswirtschaft und "an die Politik des Neuanfangs angepasst", fügte er hinzu.

Gegenwärtig bieten Devisenkontrollen stark subventionierte Fremdwährung für strategische Importe an und verhindern Kapitalflucht im großen Stil. Durch den eingeschränkten Zugang zu offiziellen Wechselkursmechanismen ist jedoch ein Schwarzmarkt entstanden, den viele kleine Unternehmen nutzen, um Preise festzulegen. In den letzten Jahren hat die Regierung die Devisenkontrollen gelockert, um die wirtschaftlichen Verzerrungen zu korrigieren, die diese verursacht haben. Aktuell kann ein subventionierter Euro für 168.000 Bolívares erworben werden, während er auf dem Schwarzmarkt über 4.000.000 Bolívares erzielen würde.

Der Präsident ordnete außerdem an, dass der Ayacucho-II-Block des Orinoco-Ölgürtels im Teilstaat Bolívar künftig der Zentralbank gehört. Der Block hat eine Kapazität von rund 29 Milliarden Barrel extraschwerem Rohöl und gehörte zuvor zum Staatsunternehmen PDVSA. Dieser Schritt werde die internationalen Reserven der Zentralbank und ihre Zahlunsfähigkeit stärken, so Maduro.

Venezuela hat in den letzten Jahren mehrere Kreditherabstufungen erlebt und unterliegt einer Reihe von Sanktionen, die den Zugang zu internationalen Krediten erschweren. Zu den jüngsten Bemühungen, das finanzielle Rückgrat des Landes zu stärken, gehören die Repatriierung von Vermögenswerten und die Förderung von Gold im Rahmen des umstrittenen Bergbauprojekts "Minen-Bogen" (Arco Minero).

PDVSA hat laut dem venezolanischen Journalisten Pedro García Otero in der Vergangenheit öfter erfolglos versucht, Ayacucho-II als Sicherheit bei Schuldenverhandlungen anzubieten. Die hohen Entwicklungskosten machten es jedoch zum "hässlichen Entlein" des Orinoco-Gürtels, erklärte er.

Als Teil seines Maßnahmenpakets verkündete Maduro auch die einjährige Befreiung von Importsteuern für Privatunternehmen, "die Anlagegüter, Grundstoffe, Maschinen, Zubehör, landwirtschaftliche Produktionsmittel und Ersatzteile importieren". Dies soll die Produzenten des Landes motivieren und unterstützen, da es für sie billiger wird, ihre Ausrüstung auf den neuesten Stand zu bringen, so der Vizepräsident für Wirtschaft, Tarek El Aissami.

Die private produktive Basis Venezuelas ist in den letzten Jahren zunehmend verfallen, da viele Unternehmen es vorziehen, das Land verlassen, anstatt mit Hyperinflation, strengen Arbeitsgesetzen, Enteignungsdrohungen und Versorgungsproblemen konfrontiert zu werden.

Obwohl die Förderung der nationalen Produktion und der Bruch mit dem traditionellen ölabhängigen Wirtschaftsmodell seit langem ein wichtiger Teil des Diskurses der aktuellen Regierung ist und auf Zustimmung stößt, verweisen Kritiker immer wieder auf einen Mangel an konkreten Maßnahmen zur Umsetzung.

"Venezuela hat im Laufe des 20. Jahrhunderts eine absolute Abhängigkeit von den Öleinnahmen etabliert. Die venezolanische Bourgeoisie und die wirtschaftlichen Faktoren, die entstanden, waren direkt mit einer Importwirtschaft verbunden, die kaum produktiv war und deren Ziel es war, den Petrodollar für die Anhäufung und den Erhalt des Reichtums dieser Importbourgeoisie zu gewinnen", erklärte Maduro.