Argentinien / Soziales

Dritter Generalstreik gegen Politik von Präsident Macri in Argentinien

Verkehr und Wirtschaft im Land weitgehend lahmgelegt. Gewerkschaften und soziale Bewegungen fordern Kurswechsel. Regierung: Streik politisch motiviert

generalstreik_argentinien_juni_2018_chaco.jpg

In vielen Städten des Landes streikten Tausende und gingen auf die Straße, wie hier in Chaco
In vielen Städten des Landes streikten Tausende und gingen auf die Straße, wie hier in Chaco

Buenos Aires. Zum dritten Mal in zweieinhalb Jahren ist es am Montag zu einem Generalstreik gegen die Politik der Regierung von Staatspräsident Mauricio Macri gekommen. Aufgerufen hatte der Gewerkschaftsdachverband CGT. Der Gewerkschaftsbund CTA, freie Gewerkschaften und soziale Bewegungen schlossen sich an. In der Hauptstadt Buenos Aires und in weiteren großen Städten des Landes standen Eisenbahn, öffentliche Busse, U-Bahnen, der Flugverkehr sowie die meisten Wirtschaftszweige still. Obwohl zu keiner gemeinsamen Großkundgebung aufgerufen worden war, kam es zu einzelnen Straßenblockaden und Protestveranstaltungen durch soziale Organisationen und linke Gruppen, die gegen das Strukturanpassungsprogramm der Regierung, laufende Tariferhöhungen und fehlende Lohnerhöhungen auftraten.

Am 7. Juni hatte die CGT der Regierung einen 5-Punkte-Plan vorgelegt, in dem sie unter anderem ein Aussetzen der Entlassungen im Staatsdienst für sechs Monate, die Wiederaufnahme von Tarifverhandlungen ohne Obergrenze und einen Verzicht auf Änderungen im Arbeitsvertragsgesetz forderte. Die Regierung zeigte sich jedoch nicht kompromissbereit und hielt etwa bei einer prognostizierten Jahresinflation von 40 Prozent an einer Lohnerhöhungsobergrenze von 5 Prozent fest.

In der einberufenen Pressekonferenz betonten die drei führenden Funktionäre der CGT, Héctor Daer, Juan Carlos Schmid und Carlos Acuña, der Streik sei die direkte Antwort auf die aktuelle Wirtschaftspolitik der Regierung und ihre sozialen Folgen. "Das Unbehagen in der Gesellschaft geht weit über Gewerkschaftskreise hinaus. Die Menschen protestieren gegen das wirtschaftliche Chaos, das von der Regierung hervorgerufen wurde", sagte Schmid. Daer ergänzte: "Seit Dezember 2015 bis heute gab es eine Inflation von 95 Prozent. Steuerbegünstigt sind seither jene Sektoren, die am meisten verdienen und am meisten besitzen."

Regierungsvertreter versuchten indes, dem Streik Bedeutung abzusprechen und ihm parteipolitische Motivation zu unterstellen. Präsident Macri verschickte über die sozialen Netzwerke ein Kurzvideo, das ihn demonstrativ beim Arbeitsantritt im Präsidentenpalast zeigt, und betonte erneut das internationale Vertrauen, das seiner Politik entgegengebracht würde. Dieses würde etwa anhand des kürzlich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gewährten Kredits über 50 Milliarden US-Dollar deutlich. Arbeitsminister Jorge Triaca äußerte die Vermutung, hinter dem Streik gäbe es "Interessen, die im Sinn haben, die Regierung zu schwächen und Instabilität herbeizuführen."

Zuletzt war die Regierung jedoch gezwungen, in bestimmten Personalagenden die Notbremse zu ziehen. So musste Mitte Juni der Zentralbankchef Federico Sturzenegger zurücktreten. Ihm war von verschiedenen Seiten eine erratische Währungspolitik vorgeworfen worden. Als Folge mussten die selbstgesteckten Inflationsziele für 2018 aufgegeben werden, während der Wechselkurs des Peso weiterhin instabil bleibt. Sturzenegger wird durch den bisherigen Finanzminister Luis Caputo ersetzt. Auch Energieminister Juan José Aranguren und Produktionsminister Francisco Cabrera müssen ihre Sessel räumen. Ihnen folgen Javier Iguacel und Dante Sica.

Wie sehr sich die wirtschaftliche Situation der argentinischen Bevölkerung tatsächlich verschlechtert hat, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie zum sozialen Klima, welche regelmäßig von einer Forschungsgemeinschaft dreier nationaler Universitäten durchgeführt wird. In einer repräsentativen Umfrage im Großraum Buenos Aires gab fast die Hälfte der Befragten an, aus Kostengründen Einschränkungen bei der Ernährung machen zu müssen. Eine von drei befragten Personen leidet unter Hunger. Jede zweite hat Familienmitglieder, die unlängst ihren Arbeitsplatz verloren. Für sechs von zehn Befragten reicht der Lohn nicht, um bis zum Ende des Monats zu kommen.

Die Politik der Massenentlassungen im Staatssektor wird indes weiter fortgesetzt. So wurden in der staatlichen Nachrichtenagentur Telam am Dienstag 354 Stellen gekündigt, was einer Reduktion des Personalstands um 40 Prozent entspricht.