Farc-Politiker Santrich in Kolumbien weiter im Hungerstreik

Schwere Zeiten für den Frieden und die Partei Farc in Kolumbien. Santrich und Márquez rufen dazu auf, das Friedensabkommen nicht aufzugeben

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In Kolumbien fordern Demonstranten die Freilassung des Farc-Politikers Jesús Santrich
In Kolumbien fordern Demonstranten die Freilassung des Farc-Politikers Jesús Santrich

Bogotá.Seit der Festnahme des Politikers Jesús Santrich am 9. April 2018 und dem Rückzug von Iván Márquez aus der Hauptstadt Bogotá in die sogenannte Übergangszone Miravalle im Bezirk Caqueta durchlebt die kolumbianische Linkspartei Farc einen äußerst kritischen Moment in ihrer jungen Geschichte. Santrich und Márquez waren Protagonisten bei den Friedensverhandlungen zwischen der ehemaligen Farc-Guerilla und der kolumbianischen Regierung und sind bekannte Gesichter der neuen Partei. Die Farc befindet sich nicht nur wegen des staatlichen Bruchs der ausgehandelten Garantien im Friedensvertrag, sondern auch aufgrund der juristischen Ermittlungen und der Festnahme eines Repräsentanten in Schwierigkeiten.

Seit drei Wochen befindet sich Santrich aufgrund der Beschuldigungen, in Drogengeschäfte verwickelt gewesen zu sein, in einem Hungerstreik. Er streitet die Vorwürfe ab und hofft, durch den Streik seiner Auslieferung in die USA zu entgehen. Außerdem protestiert er für die Freilassung einiger immer noch in den Gefängnissen sitzenden Farc-Mitglieder. Zunächst wurde er in eine Gefangenensammelstelle der Staatsanwaltschaft gebracht und nach einigen Tagen in den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses La Picota verlegt. Von dort aus schrieb er noch Gedichte und musizierte. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes wurde er nach 18 Tagen Hungerstreik in das Krankenhaus El Tunal gebracht. Seine aktuelle gesundheitliche Verfassung ist als kritisch einzuschätzen und seine Parteifreunde sprechen nun offiziell von der "noch verbleibenden Lebenszeit" und den "letzten Stunden" des Ex-Guerilleros.

Iván Márquez indes begründete seinen Weggang aus Bogotá und die Niederlegung seines politischen Mandats im Senat damit, dass er sich nicht als Drogendealer diffamieren lassen wolle. Es gehe ihm darum, in einen echten Friedenprozess einzutreten, in dem alle in der kubanischen Hauptstadt Havanna ausgehandelten Vereinbarungen umgesetzt werden. Marquéz erklärte zudem, dass er solange nicht in den Senat eintreten werde, wie sein Parteifreund Santrich inhaftiert ist.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Márquez selbst wurden, wie nun bekannt wurde, sämtliche Familienangehörige in Kolumbien und im Ausland abgehört. Sein Neffe Marlon Marín, der weder Mitglied der Farc-Guerilla war, noch heute in der gleichnamigen politischen Partei aktiv ist, wird wegen Drogenhandels und der Unterschlagung von Geldern für den Friedensprozess beschuldigt. Er reiste als Kronzeuge der US-Antidrogenbehörde DEA in die Vereinigten Staaten.

Mit dem Rückzug von Iván Marquéz aus der aktiven Politik verliert die neue Linkspartei einen erfahrenen Politiker, der schon 1986 für die linke Union Patriótica im Senat saß. Auch unter den Ex-Guerilleros besitzt Márquez hohe Sympathiewerte. So wurde er auf dem ersten Parteikongress mit 888 Stimmen in den Parteivorstand gewählt. Die US-Tageszeitung Wall Street Journal hatte über ein Handyvideo berichtet, in dem Márquez im Gespräch mit einem mexikanischen Drogenhändler zu sehen sein soll. Das Video soll nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags aufgenommen worden sein. Die DEA ermittle demnach weiterhin gegen Vorsitzender der Partei Farc. Diese Ermittlungen stehen der Umsetzung der in Havanna vereinbarten Übergangsjustiz sowie der politische Teilhabe der ehemaligen Rebellen nun im Weg. Allerdings dementierte der kolumbianische Generalstaatsanwalt Nestor Humberto Martínez die Behauptungen des Wall Street Journal inzwischen und erklärte, dass gegen Márquez keine Anklage erhoben worden sei.  

Zudem äußerte sich vergangene Woche der liberale Präsidentschaftskandidat Humberto de la Calle, der ebenfalls an den Friedenverhandlungen in Habana beteiligt war, zu den Vorkommnissen. Er rief den kolumbianischen Staat und die Gesellschaft dazu auf, den Frieden nicht zu gefährden. Weiterhin kritisierte er, dass der Frieden derzeit durch falsche Behauptungen akut gefährdet werde und das Verfassungsgericht dem Kongress ermögliche, das Friedensabkommen zu verhindern.

Márquez selbst begrüßte die Einlassungen de la Calles. Die Behauptungen gegen Santrich und ihn selbst bezeichnet er als politische Inszenierung. Mit der Forderung "no mas guerra" (Keinen Krieg mehr) appelliert er an die politischen und sozialen Bewegungen, sich weiterhin für die Realisierung des Friedensabkommens einzusetzen.