Santiago. In einem offenen Brief haben mehr als 200 Historiker und Sozialwissenschaftler das Verhalten der chilenischen Regierung im Konflikt mit den Mapuche kritisiert. In dem von Akademikern aus Chile und Argentinien unterschriebenen Text betonen die Autoren die Rechtmäßigkeit der Forderungen seitens der Mapuche und fordern ein Ende des harten Vorgehens durch Polizei und Justiz.
Das Schreiben an Chiles Präsidentin Michelle Bachelet beginnt mit der Bekundung einer Anteilnahme: Der Konflikt zwischen Mapuche-Aktivisten und der chilenischen Regierung könne den Akademikern nicht gleichgültig sein. Von der spanischen Kolonialisierung über die Besetzung der Gebiete durch den chilenischen Staat bis hin zu heutigen Projekten zum Rohstoffabbau im Süden Chiles sei den Mapuche stets mit Gewalt begegnet worden. Als Gemeinschaft aus Historikern und Sozialwissenschaftlern, aber auch als politische Personen erkenne man die Forderungen und den Kampf der Mapuche als rechtmäßig und gerecht an.
Besonders die Anwendung des Antiterror-Gesetzes, so die Autoren, sei in jeder Hinsicht inakzeptabel. Das zu Zeiten der Diktatur eingeführte Gesetz wird regelmäßig als Grundlage für die Anklage gegen Mapuche verwendet und erlaubt ein höheres Strafmaß. Anfang Oktober hatten drei in Untersuchungshaft sitzende Mapuche ihren 117 Tage andauernden Hungerstreik beendet, mit dem sie gegen die Anwendung des Antiterror-Gesetzes protestiert hatten. Die Regierung war der Forderung erst auf eindringliches Ersuchen der UNO hin nachgekommen.
Der Historiker Igor Goicovic Donoso von der Universität von Santiago betonte jedoch, dass es sich um einen politischen Konflikt handele. Diesen dürfe man nicht fälschlicherweise als einen bloßen juristischen Streit verstehen, wenngleich die Kritik am Antiterror-Gesetz richtig sei.
Des Weiteren verweist der offene Brief auf die Situation aller Mapuche, die in ihrem Alltag mit regelmäßigen Durchsuchungen, ständiger Polizeipräsenz, Fahrzeugkontrollen und Diskriminierung zu kämpfen haben. Erst im September war eine Großrazzia mit der Festnahme von acht Mitgliedern der Coordinadora Auraco Malleco (CAM) geendet. Diese setzt sich im Süden Chiles aktiv für die Unabhängigkeit der Mapuche-Gebiete ein.
Es ginge jedoch nicht nur um Territorien, mahnt Goicovic weiter. Man habe es bei den Mapuche mit einem eigenen Volk zu tun, weshalb die Anliegen auch politische, soziale und kulturelle sind. Für einen Dialog mit den Mapuche müsse die chilenische Regierung zunächst akzeptieren, so Goicovic, dass es sich um "ein Gespräch von Volk zu Volk" handele.