Buenos Aires. Die argentinische Vizepräsidentin Gabriela Michetti hatte in der ersten Woche des Jahres schlechte Neuigkeiten angekündigt: Im Senat sollen 2.035 und in den Ministerien mehrere Tausende Angestellte entlassen werden. Argentinische Medien berichten von 15.000 bis 20.000 Staatsangestellten, die betroffen sind und denen der Arbeitsvertrag ab dem 1. Januar 2016 nicht erneuert wurde. Am stärksten trifft es Angestellte der argentinischen Regierung in der Stadt Buenos Aires und solche der Provinz Buenos Aires in den Gemeinden Quilmes, La Plata, Morón und Lanús. In Bezug auf die Verwaltungseinheiten sind es das Medien-, Kommunikations- und Landwirtschaftsministerium sowie der Senat und das Regierungskabinett.
Die dafür verantwortliche Regierung unter Präsident Mauricio Macri ist erst seit knapp einem Monat im Amt. Den Wahlsiegern des rechtskonservativen Bündnisses "Cambiemos" wird immer wieder der "politische Kahlschlag" bezüglich der Reformen und Errungenschaften der Vorgängerregierung vorgeworfen. Von 2007 bis 2015 war Cristina Fernández de Kirchner von der peronistischen "Frente para la Victoria" Präsidentin.
Gabriela Cerutti, Ex-Abgeordnete der Stadt Buenos Aires, nennt diese Massenentlassungen "ideologische Verfolgung" und "Hexenjagd"und Hugo Moyano, Führer der Gewerkschaft CGT-Azopardo, spricht von "Drohung" und "Erpressung" seitens der Regierung. Sie wolle für die bevorstehenden Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften Druck aufbauen. Die Regierung rechtfertigt sich mit der Begründung, dass hauptsächlich Leute entlassen werden, die keine klare Aufgabe hätten. Die Macri-Regierung ist davon überzeugt, dass in der Ära von Cristina Fernández de Kirchner viele überflüssige Stellen für Aktivisten der pro-kirchneristischen Bewegung La Cámpora geschaffen wurden, um die staatlichen Institutionen zu infiltrieren. Diese und andere "Fehlentwicklungen" sollten nun korrigiert werden.
Angestellte des staatlichen Telekommunikationsunternehmens Arsat beklagten indes, dass die Direktion Kündigungen lediglich mündlich und ohne Begründung kommunizierte. Des Weiteren berichteten einige, dass ihnen Vorgesetzte via Facebook nachspioniert hätten, ihre politische Ideologie überprüften und eine "Schwarze Liste" führen würden. Angestellte des Kulturzentrums Kirchner (CCK), von dem rund 600 Mitarbeitende entlassen werden, berichten, dass ihnen am Morgen des 5. Januar der Zutritt zum Gebäude und zu ihrer Arbeit mit der Begründung verweigert wurde, dass sie momentan nicht gebraucht würden.
In verschiedenen Städten Argentiniens ist es seither zu Protesten gekommen. Die Angestellten des CCK haben sich beispielsweise unter dem Motto "Wir sind keine ñoquis" politisch organisiert. "Ñoqui" ist in Argentinien die abschätzige Bezeichnung für Staatsangestellte. In La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, kam es während eines Protests von 200 Entlassenen vor dem Rathaus zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen mehrere Demonstrierende verletzt wurden. Eine weitere Welle der Entrüstung und spontane Protestmärsche wurde durch die Entlassung des berühmten Radiomoderators Victor Hugo Morales bei einem staatlichen Radiosender ausgelöst.
Vergangene Woche deckten argentinische Medien Fälle auf, in denen langjährige Mitarbeitende entlassen wurden. Michetti machte daraufhin über 100 Entlassungen rückgängig, die Menschen mit einer Behinderung oder Frauen im Mutterschaftsurlaub betrafen. Trotzdem sind für viele Menschen die drohende Arbeitslosigkeit und die seit Anfang des Jahres stark zunehmende Inflation existenzielle Probleme. Die Entlassungen sind darum ein Angriff auf die argentinische Mittelschicht, welcher viele Wähler von Macri angehören. Weil das Land zudem aktuell politisch polarisiert ist wie schon lange nicht mehr, geht der argentinische Journalist Fernando Gutiérrez davon aus, dass die Macri-Regierung bereits vor ihrer ersten politischen Krise stehen könnte.