Venezuela: Neue Maßnahmen zum Stromsparen

Regierung beschließt Maßnahmen gegen zu hohen Konsum von Elektrizität. System aus Anreizen und Sanktionen soll Verbrauch drosseln

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Stromverbrauch Venezuela
Neues Tarifsystem: Mischung aus Anreizen und Sanktionen

Caracas. Aufgrund des gestiegenen Stromverbrauchs in Venezuela hat die Regierung erklärt, den Konsum von Elektrizität senken zu wollen. In jüngster Zeit war es wiederholt zu Stromausfällen gekommen. Zuletzt blieb das Licht am vergangenen Freitag und Samstag im westlichen Teil Venezuelas aus, nachdem im Bundesstaat Zulia eine Reihe von Trafostationen aus ungeklärter Ursache ausgefallen waren. Da sich Präsident Hugo Chávez aufgrund einer medizinischen Behandlung in Kuba aufhält, gaben Vize-Präsident Elías Jaua und Elektrizitätsminister Alí Rodríguez Araque Anfang der Woche neue Energiesparmaßnahmen bekannt. "Ein wichtiges Element sind die Tarife für Elektrizität, die seit zehn Jahren subventioniert und eingefroren sind", sagte Jaua. Eine generelle Erhöhung sei jedoch nicht geplant.

Um künftig Energie zu sparen, soll die Nachfrage ab Mitte Juli mittels eines Systems aus Anreizen und Sanktionen landesweit reguliert werden. Seit letztem Jahr wird dies in der Hauptstadt Caracas bereits praktiziert. Es gehe dabei nicht darum "das Recht auf Elektrizität zu begrenzen", versicherte Jaua, "sondern den unangemessenen und exzessiven Energieerbrauch zu vermeiden, um eine sichere und stabile Versorgung zu garantieren". Das neue Tarifsystem sieht vor, dass private Konsumenten mit hohem Verbrauch, die ihre Nachfrage um 10 bis 20 Prozent senken, einen Rabatt von 25 Prozent auf ihre Stromrechnung erhalten. Bei einer Senkung von über 20 Prozent beträgt der Rabatt 50 Prozent. Wer den Konsum allerdings um weniger als zehn Prozent senkt oder sogar erhöht, muss Aufschläge zwischen 75 und 200 Prozent zahlen. Vergleichszeitraum ist jeweils das Jahr 2009.

Die Maßnahmen gelten auch für den öffentlichen Bereich wie Behörden, Ministerien oder den Präsidentenpalast. Die Regierung kündigte die baldige Verteilung von weiteren 10 Millionen Energiesparlampen und den Kauf von 58.000 Klimaanlagen mit niedrigem Verbrauch für öffentliche Einrichtungen an. Nicht betroffen von den neuen Energiesparmaßnahmen sind unter anderem Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser, die Erdölproduktion, der Lebensmittelbereich, Polizei und Medien.

Elektrizitätsminister Alí Rodríguez Araque gab sich zuversichtlich, dass die Maßnahmen "von den Konsumenten verstanden" würden. Die Opposition und private Unternehmen kritisierten hingegen die Maßnahmen scharf. Sie befürchten, dass die Auferlegung von Energieeinsparungen die gerade erst einsetzende wirtschaftliche Erholung gefährden könnte. "Wir zahlen den Preis für ein schlechtes Management, sie improvisieren", kritisierte Guillermo Ovalles, Präsident der Energiekommission des Unternehmerverbandes Fedecámaras. Die einzige Form, den Konsum wie vorgeschrieben zu reduzieren sei es, "die Produktion zu drosseln", was mit Folgekosten verbunden sei.

Die Nachfrage nach Strom war durch Wirtschaftswachstum und einen Anstieg des Lebensstandards von zuvor marginalisierten Bevölkerungsgruppen seit 1998 um fast 50 Prozent angestiegen und beträgt heute circa 17.000 Megawatt. Dies entspricht in etwa dem Niveau von Ende 2009. Damals hatte eine Dürreperiode zu Engpässen in der Elektrizitätsversorgung geführt, die bis April 2010 anhielten und zur zeitweisen Rationierung des Stroms führten. Über 70 Prozent der erzeugten Energie bezieht Venezuela aus Wasserkraftwerken, den Großteil davon aus dem Guri-Stausee im südlichen Bundesstaat Bolívar. In Folge der Energiekrise 2009 wurde der Konsum zwar leicht vermindert, stieg dieses Jahr jedoch wieder an.

Die Opposition macht prinzipiell Missmanagement der Regierung und die 2007 erfolgte Verstaatlichung des Stromsektors für die Krise verantwortlich. Die Regierung schreibt die Fehler hingegen dem alten Management zu und verweist auf das jahrelange Ausbleiben von Investitionen. Linke Gewerkschafter im staatlichen Elektrizitätsunternehmen CORPOELEC geben der Bürokratie und Funktionärselite im Energiebereich eine Mitschuld für die Probleme.

Venezuela zählt zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Elektrizität in Lateinamerika. Laut offiziellen Zahlen wurde die Stromgenerierung zwischen 1999 und 2010 um gut 5.400 Megawatt ausgebaut. In dem Jahrzehnt zuvor waren es nur rund 2.500 Megawatt gewesen.