Argentinien bietet Europa Lebensmittel und Energie an

Fernández bewirbt sein Land in Europa als Investitionsgebiet und Lieferant in der Ukraine-Krise. Mahnung wegen weltweiter Auswirkungen von Krieg und Sanktionen

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Argentiniens Präsident Alberto Fernández bei Bundeskanzler Olaf Scholz
Argentiniens Präsident Alberto Fernández bei Bundeskanzler Olaf Scholz

Berlin/Paris. Argentiniens Präsident Alberto Fernández hat eine Europareise mit Stationen in Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland absolviert. Die Gespräche auf der Ebene der Regierungschefs hatten die Neuverhandlung der argentinischen Schulden, das seit Jahren diskutierte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Mercosur sowie den Ukraine-Krieg zum Gegenstand. Letzterer prägte alle anderen.

Ein konkretes Thema waren auch die 2,3 Milliarden Euro, die Argentinien bis Ende Mai an den Pariser Club zurückzahlen muss.

Als erklärtes Hauptziel seiner Europareise stellte Fernández heraus, Vereinbarungen für Investitionen und zur Versorgung Europas mit Nahrungsmitteln und Gas vorzubereiten.

"Argentinien ist in der Tat in der privilegierten Lage, Nahrungsmittel und Energie anbieten zu können und Europa dafür zu interessieren, uns dabei zu helfen, das zweitgrößte unkonventionelle Gasvorkommen der Welt besser zu nutzen. Dies würde es uns ermöglichen, Flüssiggas nach Europa zu schicken, das es braucht". Unkonventionelle Gasvorkommen werden durch Fracking erschlossen.

Durch den Krieg in Europa sind mit der Ukraine und Russland die zwei größten Getreideexporteure der Welt beeinträchtigt. Gleichzeitig sucht die EU, zur Kompensation ihrer Sanktionen gegen Russland, neue Bezugsquellen für Gas.

Fernández war auf allen Stationen seiner Europareise kritischen Fragen nach seinen Besuchen in Moskau und Peking Anfang Februar ausgesetzt. Diese stellte der argentinische Präsident seinerzeit als eine Politik des Multilateralismus heraus, um sein Land aus "traditionellen Abhängigkeiten" herauszuführen (amerika21 berichtete). Auf Fragen einer Journalistin von der Deutschen Welle erklärte er nun, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin besucht habe, als es noch keinen Krieg gab.

Er sei sich darüber im Klaren, "dass die Gegenwart eine andere ist und dass wir nach der Pandemie, die wir erlebt haben, nach dem Tod von sechs Millionen Menschen moralisch und ethisch keinen Akt der Gewalt gutheißen können, schon gar nicht einen Krieg dieser Art", so Fernández.

Gleichwohl werde sein Land sich den Sanktionen gegen Russland nicht anschließen. Fernández verwies in seiner Rede nach den Gesprächen in Berlin auf die Auswirkungen dieser Politik. "Wenn Russland sanktioniert wird, gibt es einen endlosen Vorrat an Öl, Gas und Weizen, der den Rest der Welt nicht mehr erreicht", warnte er. Die Sanktionen würden die Ernährungssicherheit vieler Menschen und die Energiesicherheit vieler Länder gefährden. "Die Sanktionen gegen Russland haben negative Auswirkungen auf die ganze Welt und auch auf Argentinien", betonte Fernández.

Er sprach sich darüber hinaus gegen Waffenlieferungen aus: "Argentinien würde niemandem Waffen schicken, aber es würde sich darum bemühen, dass sich die Welt zusammensetzt und dieses Problem so schnell wie möglich löst."

Der argentinische Präsident dankte Bundeskanzler Olaf Scholz für die Unterstützung der deutschen Regierung für eine Umschuldungsvereinbarung zwischen Argentinien und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese Vereinbarung, die Scholz in Berlin begrüßte, steht in Argentinien unter großer Kritik (amerika21 berichtete). Es handelt sich um Kredite in Rekordhöhe, die der neoliberale Vorgänger von Fernández, Mauricio Macri, aufnahm, und die der IWF ohne angemessene Prüfung gewährte.

Er freue sich, "dass Argentinien mit dem IWF eine Einigung über das neue Programm erzielt hat. Wir begrüßen die enormen Anstrengungen, die zur Umsetzung dieses Programms unternommen werden", so der deutsche Bundeskanzler.

In einer Erwiderung wies Fernández darauf hin, dass "die Vereinbarung mit dem IWF eine notwendige Voraussetzung" sei, um mit Deutschland über andere Punkte zu sprechen, die für beide Länder von Interesse seien und erwähnte die Schulden beim Pariser Club.

Das seit Jahren stagnierende Abkommen zwischen der EU und dem Wirtschaftsbündnis "Markt des Südens" (Mercosur), dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, bezeichneten Scholz und Fernández als "im Interesse beider Regionen".

In Paris gratulierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Fernández zu der "mutigen Entscheidung, eine Einigung mit dem IWF zu erzielen". Dies würde eine Einigung mit dem Pariser Club erleichtern.

Auch in Frankreich wurde Fernández an seine Äußerungen vom Februar erinnert, dass Argentinien das "Tor" Russlands nach Lateinamerika sein solle. So musste er sich in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde erklären. "Als ich Wladimir Putin wieder traf, hatte Russland gerade mit seinen Sputnik-Impfstoffen die Hand nach Lateinamerika ausgestreckt. Moskau hatte noch nicht mit der Intervention in der Ukraine begonnen, und wir hatten über reine Handelsbeziehungen gesprochen", rechtfertigte er sich.