Kuba: Eine Impfung gegen Egoismus und Ungleichheit

Weltweit sind bereits mehrere Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus verfügbar, aber der Zugang dazu ist so ungleich wie die Welt, in der wir leben

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Rund 66,33 Millionen Impfdosen gegen Corona wurden bisher verabreicht, 93 Prozent davon in nur 15 Ländern
Rund 66,33 Millionen Impfdosen gegen Corona wurden bisher verabreicht, 93 Prozent davon in nur 15 Ländern

"Es wird nicht eine ausgebrannte und überholte Weltordnung sein, die die Menschheit retten und die natürlichen Bedingungen schaffen kann, die für ein würdiges Leben auf dem Planeten unerlässlich sind. [...] Es geht nicht um eine ideologische Frage; es ist bereits eine Frage von Leben oder Tod für die menschliche Spezies."

Fidel Castro,

27. Januar 2001

Solidarität und Gerechtigkeit sind immer noch kaum gebrauchte Worte, auch wenn die Katastrophe uns alle betrifft wie eine große universelle Titanic. Ein winziges und klebriges Virus hat Ängste angetrieben, Gesellschaften und Gesundheitssysteme erschüttert, unzählige Reflexionen über die Gegenwart und die Zukunft ausgelöst, aber es ist nicht gelungen, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zum Blühen zu bringen.

Diese Woche wird sich der 100-millionste Mensch auf der Welt mit Covid-19 infiziert haben – und bereits mehr als zwei Millionen Menschen sind gestorben.

"Jeden Tag vergrößert sich die Kluft zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen. Die Pandemie hat uns daran erinnert, dass Gesundheit und Wirtschaft miteinander verbunden sind und dass wir alle im selben Boot sitzen. Die Pandemie wird nicht enden, bevor sie nicht überall beendet ist", sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, am Montag.

Die Zahlen bestätigen unwiderlegbar die Einschätzung des Experten.

Heilung für Privilegierte

Trotz zahlreicher Aufrufe der Vereinten Nationen und verschiedener Staats- und Regierungschefs der Welt, eine globale Antwort auf die Pandemie zu suchen und den Zugang zu Heilmitteln für die Krankheit zu erleichtern und zu teilen, herrschen engstirnige Ansichten und taube Ohren vor.

"Die Wissenschaft ist erfolgreich, aber die Solidarität versagt", sagte UN-Generalsekretär António Guterres am 15. Januar. Weltweit sind bereits mehrere Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus verfügbar, aber der Zugang zu ihnen ist so ungleich wie die Welt, in der wir leben.

Rund 66,33 Millionen Dosen wurden bisher verabreicht, 93 Prozent davon in nur 15 Ländern: USA, China, Großbritannien, Israel, Vereinigte Arabische Emirate, Deutschland, Indien, Italien, Türkei, Spanien, Frankreich und Russland, so die Datenanalyseplattform Our World in Data, die sich auf Zahlen der Universität Oxford beruft.

In ganz Subsahara-Afrika konnten gerade mal 25 Dosen Impfstoff in Guinea verabreicht werden. Bevölkerungsreiche Länder wie Nigeria, mit 200 Millionen Menschen, warten noch auf die erste Dosis.

Das gleiche Gerangel, wie zu Beginn der Pandemie um Lungenbeatmungsgeräte, Masken und Schutzanzüge, geschieht nun mit den Impfstoffen: Horten, Überteuerung und Spekulation. "Ein unmoralischer Wettlauf in den Abgrund", wie der oberste Chef der WHO es einstufte.

Der Covax-Fonds, der als eine Art globale Anstrengung gegründet wurde, um Impfstoffe für ärmere oder ressourcenbeschränkte Nationen zugänglich zu machen, kündigte an, dass im Februar mit der Auslieferung der ersten Dosen begonnen wird (zunächst wurde von Januar gesprochen), räumt aber ein, dass er durch die lukrativen Verträgen einzelner Länder mit den Pharmafirmen, die die Anti-Covid-Impfstoffe herstellen, eingeschränkt wurde.

Ein weiteres Handicap sind die hohen Kosten für die Impfstoffe, die bisher international die meisten Zulassungen haben. Der norwegische Experte John-Arne Rottingen sagte dem Guardian: "Die Schwierigkeit ist, dass wir wirklich nur für zwei Impfstoffe eine allgemeine internationale Zulassung haben: für die beiden mRNA-Impfstoffe. Die Herausforderung besteht darin, dass der eine, der Moderna-Impfstoff, sehr teuer ist, und der andere von Pfizer/BioNTech, der zuerst verfügbar war und jetzt in Europa eingesetzt wird, im Vergleich zu den anderen preislich mäßiger ist, aber eine extreme Kühlkette erfordert. Der Preis und die Kühlkette machen sie nicht zu einem idealen globalen Impfstoff."

Während Nationen wie Indien und Südafrika die WHO zu einer Kampagne auffordern, damit die Pharmaunternehmen auf die geistigen Eigentumsrechte für Covid-19-Impfstoffe und -Behandlungen verzichten, damit andere qualifizierte Hersteller im Süden die Produktion dieser Gegenmittel ausweiten können, haben sich Länder wie die USA, Großbritannien und Kanada dieser Initiative widersetzt. Diese drei reichen Nationen haben genügend Dosen gekauft oder sich gesichert, um ihre Bevölkerungen mindestens viermal zu impfen.

Länder mit hohem Einkommen stellen 16 Prozent der Weltbevölkerung, besitzen aber mehr als 60 Prozent der bisher gekauften Impfstoffe.

Einige Prognosen gehen davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt 27 Prozent der Menschen in Ländern mit mittlerem Einkommen und in armen Ländern geimpft werden können. Das Center for Global Health Innovation der Duke-Universität schätzt, dass es bis mindestens 2023 nicht genügend Impfdosen geben wird, um die Weltbevölkerung zu immunisieren.

"Die Welt steht am Rande eines katastrophalen moralischen Versagens, und den Preis für dieses Versagen werden die ärmsten Ländern der Welt mit Leben und Existenzmitteln bezahlen", bedauerte Dr. Tedros.

Das Virus der Ungleichheit

Der "Impf-Nationalismus" ist ein genaues Spiegelbild einer ungleichen und ungerechten Welt, in der einige wenige die großen Nutznießer des Reichtums bleiben, während Milliarden sich mit den Resten begnügen müssen.

Oxfam prangert in seinem jüngsten Bericht das "Virus der Ungleichheit" an und weist nach, dass das derzeitige, gescheiterte Wirtschaftssystem "einer superreichen Elite erlaubt, inmitten der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression weiterhin Reichtum anzuhäufen, während Milliarden von Menschen große Schwierigkeiten haben, durchzukommen".

Während die Multimillionäre und Milliardäre ihr Vermögen zwischen März und Dezember 2020 um insgesamt 3,9 Billionen US-Dollar steigerten – auf unvorstellbare 11,95 Billionen Dollar – werden die Ärmsten der Welt "mehr als ein Jahrzehnt brauchen, um sich von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise zu erholen", die durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurden.

Auch die rassischen Unterschiede haben sich vertieft. In den USA, der mächtigsten Nation auf dem Planeten, wären, wenn die Sterblichkeitsraten denen der Weißen entsprechen würden, fast 22.000 Latinos und Schwarze nicht aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus gestorben. In Brasilien haben Menschen afrikanischer Abstammung ein 40 Prozent höheres Risiko, durch Covid zu sterben, als Weiße.

Eine der Schlussfolgerungen des Oxfam-Berichts ist, dass "die Pandemie wahrscheinlich die Ungleichheit in einer noch nie dagewesenen Weise vergößern wird". Die Weltbank hat davor gewarnt, dass unter den derzeitigen Bedingungen mehr als 100 Millionen Menschen in extreme Armut fallen könnten.

Die zehn reichsten Menschen der Welt konnten ihr Nettovermögen im Pandemie-Zeitraum von 2020 um 540 Milliarden Dollar steigern. Diese Liste wird von Jeff Bezos und Elon Musk angeführt. Dazu gehören auch der CEO des Luxuskonzerns LVMH, Bernard Arnault, Bill Gates und Facebook-CEO Mark Zuckerberg. Laut Oxfam würde das von diesen Potentaten gehortete Geld ausreichen, um zu verhindern, dass Menschen durch die Folgen des Virus in die Armut fallen, und würde außerdem einen Impfung für alle Menschen auf dem Planeten sicherstellen.

Sonne der moralischen Welt

Inmitten von so viel Ungleichheit und Gleichgültigkeit ist eine kleine Insel in der Karibik, Kuba, in der Lage, Tausende von Ärzten und Pflegepersonal in etwa 50 Brigaden des Internationalistischen Kontingents "Henry Reeve" in mehr als dreißig Länder Lateinamerikas und der Karibik, Europas, Afrikas und des Nahen Ostens zu schicken, um im Kampf gegen die tödliche Krankheit zusammenzuarbeiten.

Tausende von geretteten oder genesenen Leben in einem äußerst komplexen Szenario sind die Frucht ihrer solidarischen Arbeit. Die menschliche und fachliche Qualität dieser Kinder des kubanischen Volkes überwindet die unterschiedlichsten Hindernisse und hinterlässt ein Zeichen der Zuneigung, der Dankbarkeit und des Beispiels, das von allen anerkannt wird, mit denen sie gearbeitet und für die sie gesorgt haben.

Dasselbe Land, mit knappen wirtschaftlichen Ressourcen, aber reich an geschulten und ausgebildeten Talenten, ist in der Lage gewesen, eine hochmoderne biopharmazeutische Industrie aufzubauen, die sich jetzt auf die Produktion von 100 Millionen Dosen Soberana 02 vorbereitet, einem der vier Impfstoffe, an denen seine Wissenschaftler arbeiten. Damit wäre es möglich, die gesamte kubanische Bevölkerung zu immunisieren (es wäre eines der ersten Länder, das dies tut) und mehr als 70 Millionen Dosen für andere Völker des Südens zur Verfügung zu haben. Es gibt bereits Länder, die am Erwerb interessiert sind, wie Vietnam, Iran und Venezuela, Pakistan und Indien, erklärte kürzlich der Generaldirektor des Finlay-Instituts für Impfstoffe.

Forscher dieser Einrichtung arbeiten mit Ländern wie Italien und Kanada zusammen, um die Wirkung von Soberana 01 auf Menschen zu untersuchen, die bereits an Covid-19 erkrankt waren und sich in der Rekonvaleszenz befinden, aber das Risiko einer erneuten Infektion haben.

"Wir sind kein multinationales Unternehmen, bei dem die (finanzielle) Rendite an erster Stelle steht. Wir arbeiten umgekehrt, wir schaffen mehr Gesundheit und die Rendite ist eine Folge, sie wird nie die Priorität sein", sagte Dr. Vicente Vérez, Leiter des wichtigsten kubanischen Impfstoff-Forschungszentrums, letzte Woche gegenüber der Presse.

"Unsere Welt kann dieses Virus nur auf eine Weise besiegen: vereint", betonte der UN-Generalsekretär kürzlich. Leider konnten die Impfstoffe der Solidarität und der Gerechtigkeit in der herrschenden reichen Welt keine Anwendung finden.

27. Januar 2021

Der kubanische Journalist Randy Alonso Falcón leitet das Nachrichtenportal Cubadebate und die wochentägliche Radio- und TV-Sendung "Mesa Redonda", eine Informations- und Diskussionsrunde von Cubavisión