Ex-Polizeichef Guatemalas in Genf verhaftet

Erwin Sperisen wird für zahlreiche Fälle von Exekutionen verantwortlich gemacht. Schweizer Staatsbürgerschaft verhindert Auslieferung

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Festgenommen: Erwin Sperisen
Festgenommen: Erwin Sperisen

Genf. Der ehemalige guatemaltekische Polizeichef (2004-2007) Erwin Sperisen ist am vergangenen Freitag in Genf verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn als Drahtzieher außergerichtlicher Hinrichtungen während seiner Amtszeit als Chef der Policia Nacional Civil.

Die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) beschuldigt Sperisen, kriminelle Strukturen zur Hinrichtung von Häftlingen aufgebaut zu haben. Konkret bezieht sich die CICIG auf den Fall im Gefängnis El Pavón, das am 26. September 2006 von 3.000 Polizisten und Soldaten gestürmt worden war, um die Kontrolle über die Haftanstalt wieder zu erlangen. Sieben Häftlinge, die für Drogenhandel und Erpressungen im Gefängnis verantwortlich gemacht wurden, wurden verhaftet und anschließend hingerichtet. Zudem zeigten Fotos aus der Dokumentation der CICIG nackte und von den Sicherheitskräften gefesselte Gefangene.

Bereits ein Jahr zuvor hatte die Polizei im Rahmen des Plans Gavilán drei der 19 Häftlinge getötet, die aus dem Hochsicherheitsgefängnis Infiernito (Kleine Hölle) geflohen waren. In beiden Fällen wurden die Spuren an den Tatorten vernichtet und die Todesfälle als Folge der Konfrontation zwischen Polizei und Häftlingen dargestellt.

Schließlich wird Sperisen auch für den Tod von neun Bauern bei der Räumung der Finca Nueva Linda im Jahr 2004 verantwortlich gemacht. Nach Recherchen von Nichtregierungsorganisationen kam es bei dieser Räumung auch zu Entführungen, Folterungen und Vergewaltigungen.

Sperisen und der damalige Innenminister Carlos Vielmann verloren ihre Posten nach dem Skandal um die Ermordung dreier Parlamentarier aus El Salvador im Jahr 2007. Der schweizerisch-guatemaltekische Doppelbürger Sperisen setzte sich nach Genf ab, wo sein Vater Guatemala bei der Welthandelsorganisation vertritt. 2010 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Guatemalas Anklage gegen ihn und erließ einen internationalen Haftbefehl. Im gleichen Jahr eröffnete die Genfer Staatsanwaltschaft auf eine Anzeige mehrerer Menschenrechtsorganisationen aus dem Jahr 2008 hin eine Strafuntersuchung gegen ihn.

Aufgrund der Informationen, welche Guatemala den Behörden in der Schweiz als Antwort auf ein Rechtshilfegesuch übermittelte, wurde Sperisen am 31. August in Genf verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Seine Schweizer Nationalität verhindert zwar seine Auslieferung an Guatemala. Sollte die Genfer Justiz ihn wegen der außergerichtlichen Hinrichtungen verurteilen, droht ihm in der Schweiz aber eine lange Haftstrafe.