Historischer Prozess gegen Guatemalas Ex-Diktator

Verteidigung setzt auf Zeit. Rios Montt als personifiziertes Symbol des Staatsterrors, unter dem mehr als 200.000 Menschen den Tod fanden

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Junge vor einer Tafel mit den Namen von Opfern der Diktatur
Junge vor einer Tafel mit den Namen von Opfern der Diktatur

Guatemala-Stadt. Der Gerichtsprozess gegen den früheren Diktator von Guatemala, Efraín Ríos Montt, hat auch sieben Monate nach Erhebung der Anklage kaum Fortschritte gemacht. Die Verteidigung lässt nichts unversucht, den Beginn des eigentlichen Strafprozesses zu verschieben.

Die Anklage lautet auf Genozid an der indigenen Maya-Gruppe der Ixil im Verwaltungsbezirk von Quiché und deckt demnach nur die begangenen Verbrechen in einem Teil Guatemalas ab. Mitangeklagt sind außerdem die beiden Ex-Generäle José Mauricio
Rodríguez Sánchez und Héctor Mario López Fuentes – im Fokus der medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit steht jedoch das ehemalige Staatsoberhaupt.

Der von der UNO unterstützten guatemaltekischen Wahrheitskommission zufolge sollen im Rahmen von Plänen zur Aufstandsbekämpfung – der sogenannten Politik der verbrannten Erde – in jener Region bei mindestens elf Massakern 1.771 Menschen ermordet worden sein. Außerdem gehen 1.400 Vergewaltigungen und die gewaltsame Vertreibung von mehr als 29.000 Menschen auf die Rechnung von Ríos Montt. Die Wahrheitskommission zählt für die kurze Amtszeit des Diktators von März 1982 bis August 1983 im Schnitt 800 Morde monatlich.

Eine Anzeige gegen Ríos Montt wurde bereits 2001 eingereicht, konnte jedoch aufgrund seiner Immunität als Parlamentsabgeordneter bis zum Januar dieses Jahres nicht zugelassen werden. Seitdem verzögert die Verteidigung den Prozess mit Beschwerden oder dem Vorwurf der Befangenheit gegen Richterin Carol Patricia Flores. Einem ähnlichen Antrag gegen deren Kollegen Miguel Ángel Gálvez wurde nicht stattgegeben. Einen Antrag auf Amnestie hatte das Gericht mit dem Argument zurückgewiesen, dass internationale Verbrechen wie Genozid nicht unter ein entsprechendes Gesetz fallen.

"Das Konzept ist, Zeit zu gewinnen", sagt Michael Mörth, ein Anwalt und Sachverständiger vor dem Interamerikanischen Gerichtshof und Berater im Verfahren gegen Ríos Montt, gegenüber amerika21. Zeit ist jedoch genau das Element, das den Anklägern aufgrund des fortgeschrittenen Alters von Ríos Montt fehlt. Der Ex-Diktator wurde im Juni 86 Jahre alt. Momentan arbeitet das Gericht 14 Anträge der Verteidigung ab, acht wurden im Laufe der seit Montag wieder aufgenommenen Verhandlungen bereits zurückgewiesen. Erfolgt das Gleiche für die übrigen sechs, wäre der Weg frei, die Anklage zuzulassen und das eigentliche Verfahren zu beginnen.

Das Verfahren ist auf nationaler und internationaler Ebene von historischer Bedeutung. Ríos Montt ist schließlich der erste Ex-Präsident eines lateinamerikanischen Landes, der des Genozids angeklagt ist. Ein Meilensprung also bezüglich der Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in ganz Lateinamerika. Doch es ist auch eine Frage, die sich die guatemaltekische Gesellschaft selbst zu stellen hat: Ist sie bereit für einen umfassenden Prozess, der alte Wunden wieder aufreißt und auch von der Elite des Landes akzeptiert wird? Beobachter Mörth bleibt kritisch: "Das juristische System ist auf Sand gebaut und kann jederzeit zusammenbrechen".