Venezuela / Soziales

Venezuela sagt Kriminalität den Kampf an

Regierung stellt Maßnahmen gegen Kriminalität vor. Ausweitung der Nationalpolizei geplant. Kritik von der Opposition

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Logo des neuen venezolanischen Sozialprogramms "Mission volles Leben Venezuela"
Logo des neuen venezolanischen Sozialprogramms "Mission volles Leben Venezuela"

Caracas. Mit einem neuen Sozialprogramm will die venezolanische Regierung gegen die Kriminalität im Land vorgehen. Die "Mission volles Leben Venezuela" soll die bestehenden Initiativen in der Verbrechensbekämpfung koordinieren und neue Maßnahmen einleiten. Dies sagte am Mittwoch der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, bei einer Veranstaltung zur Vorstellung des Programms. Es umfasst sechs strategische Achsen: Prävention, Stärkung der Sicherheitskräfte, Transformation der Strafjustiz, Modernisierung des Strafvollzugs, Opferbetreuung und Wissensaustausch.

Die Maßnahmen in diesen Bereich werden zunächst in 79 Bezirken (Municipios) begonnen, die nach Aussagen der Regierung etwa 80 Prozent der Kriminalität ausmachen. Durch eine Dezentralisierung der Justiz will die Regierung eine schnellere Bearbeitung der aufgehäuften Fälle garantieren und die 2009 gegründete Bolivarische Nationalpolizei (PNB) soll ausgeweitet werden. Die Polizei, die aus einem 2006 begonnenen Evaluierungsprozess hervorgegangen ist, wird derzeit nur in Teilen des Landes eingesetzt. Nach Angaben des Direktors der PNB mit Erfolg: In den Gegenden, in denen sie eingesetzt werde, sei allein in diesem Jahr die Kriminalität um 18 Prozent zurückgegangen, sagte Luis Fernández.

Um die Ziele des Programms zu erreichen, will die Regierung knapp 3 Mrd. Bolívares (gut 542 Mio. Euro) investieren, unter anderem in die Ausweitung der Experimentellen Universität der Sicherheit (UNES). Sie wurde zur Ausbildung der PNB-Polizisten geschaffen und legt großen Wert auf die Vermittlung der Menschenrechte und die Zusammenarbeit mit Nachbarschaftsorganisationen.

Hintergrund der Initiative ist die anhaltend hohe Kriminalität in Venezuela. Insbesondere die Mordrate hat sich in den vergangenen Jahren besorgniserregend entwickelt. So gesteht die venezolanische Regierung erstmals offiziell ein, dass sich die Mordrate in dem südamerikanischen Land seit dem Regierungsantritt von Hugo Chávez verdoppelt hat. Damit hat sich ein Trend fortgesetzt, der spätestens Ende der 1980er eingesetzt hat: Auch in der Dekade der 1990er Jahre hatte sich die Mordrate mehr als verzweifacht. Dies geht aus einer Grafik hervor, die in der Präsentation der Mission enthalten ist. Demnach ist die Mordrate von etwa 12 pro 100.000 Einwohner im Jahr 1989 über etwa 25 im Jahr 1999 auf 50 im Jahr 2011 gestiegen. Eine gegenläufige Entwicklung konstatiert die Regierung hingegen in Bezug auf Raub und Diebstahl: Diese seien in den vergangenen Jahren zurückgegangen.

Auch Präsident Chávez erklärte in einer Rede, die auf allen venezolanischen Fernseh- und Radiosendern übertragen wurde, dass es sich bei der Kriminalität um ein "schwerwiegendes" und "unbestreitbares" Problem handele. Venezuela sei das Land mit der höchsten Mordrate in Südamerika und liege laut einer UNO-Studie weltweit an fünfter Stelle. Man müsse aber auch sagen, dass das "anti-ethische" Verhalten der Opposition in dieser Frage "unbestreitbar und sichtbar" sei, so Chávez. Diese manipuliere die Situation, "um der Regierung zu schaden und für die Situation verantwortlich zu machen". Die Regierung habe das Problem der Unsicherheit aber "keine Minute" vernachlässigt, sondern versucht durch Armutsbekämpfung und Prävention gegen die Kriminalität vorzugehen. Venezuela sei jedoch ein Beispiel dafür, "dass diese Sozialpolitik nicht ausreicht, um die Indikatoren sozialer Gewalt zu senken". Damit wandte er sich gegen die Politik der Vorgängerregierungen, die nach dem Motto "zuerst schießen, dann ermitteln" allein mit Gewalt und mehr Polizei auf das Problem reagiert hätten.

Ramón Guillermo Aveledo, der Geschäftsführer des rechten Oppositionsbündnisses "Tisch der demokratischen Einheit" (MUD), warf dem Präsidenten unterdessen vor, mit dem neuen Programm lediglich Wahlkampf zu betreiben. Er habe die Mission "erfunden", weil im Oktober Wahlen anstehen, sagte Aveledo, "aber sie werden sie danach nicht weiterführen, weil das größte Problem der Venezolaner nicht das größte Problem der Regierung ist". Auch der Präsidentschaftskandidat des MUD, Henrique Capriles Radonski, kritisierte die neue Initiative. Über den Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er, die Regierung habe bereits "18 Pläne im Sicherheitsbereich" gestartet und alle seien gescheitert. "Jetzt kommen die Wahlen und heute starten sie noch einen!"

Regierungsvertreter verweisen hingegen auf den Erfolg einiger Initiativen wie der Bolivarischen Nationalpolizei, Verordnungen zur Kontrolle des Waffenbesitzes und eine Reform der Kriminalpolizei (CICPC). Diese würden nun gebündelt, um koordiniert und "ganzheitlich" gegen die Kriminalität vorzugehen.

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