Venezuela verbietet Waffenhandel

Waffen und Munition dürfen für ein Jahr nicht gehandelt werden. Entwaffnung der Bevölkerung als Ziel. Entwaffnungsgesetz nach wie vor im Parlament

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Soldaten der venezolanischen Nationalgarde bei einer Aktion zur Zerstörung von Waffen
Soldaten der venezolanischen Nationalgarde bei einer Aktion zur Zerstörung von Waffen

Caracas. Die venezolanische Regierung hat den Import und Verkauf von Kleinwaffen und Munition für ein Jahr ausgesetzt. Eine gemeinsame Verordnung des Innen- und des Verteidigungsministeriums verbietet darüber hinaus, im selben Zeitraum neue Waffenscheine auszustellen. Mit der Maßnahme will die Regierung einen Prozess zur Entwaffnung der Bevölkerung in Gang setzen. Von der Maßnahme ausgenommen sind nur die staatlichen Sicherheitskräfte, das Militär sowie entsprechend registrierte private Sicherheitsunternehmen. Das Verbot tritt in 90 Tagen in Kraft. Fünf Tage später müssen alle Waffenhändler der Regierung eine Aufstellung aller Waffen in ihrem Inventar überreichen. Besitzern von Waffen, die zwar legal erworben, dann jedoch nicht registriert wurden, gibt die Regierung ebenfalls 90 Tage Zeit, um den Waffenbesitz zu legalisieren.

Die Maßnahme ist ein Ergebnis der Arbeit einer im Mai 2011 von Präsident Hugo Chávez eingesetzten Kommission zur Entwaffnung. Sie hat die Aufgabe, Konzepte für eine umfassende Entwaffnung auszuarbeiten. Ein Teil dieser Arbeit besteht darin, die Bevölkerung zu befragen. Dies ist Anfang vergangener Woche in eine zweite Phase eingetreten, die vorläufigen Ergebnisse sollen am kommenden Samstag präsentiert werden.

Zuletzt lobte auch die UNO Entwaffungspolitik Venezuelas. Zwar gebe es auch in anderen Ländern der Region vergleichbare Kommissionen, sagte William Godnick, der Koordinator des Regionalen UNO-Zentrums für Frieden, Entwaffnung und Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik. Keine von ihnen könne jedoch "mit den humanen und finanziellen Investitionen wie in Venezuela rechnen".

Hintergrund ist der Versuch der Linksregierung, die hohe Zahl an Gewaltverbrechen zu reduzieren. Nach offiziellen Angaben lag die Mordrate in Venezuela im Jahr 2010 bei 48 pro 100.000 Einwohnern, was im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Auch 2011 habe man dieses hohe Niveau nicht verringern können, sagte Innenminister Tareck El Aissami kürzlich, ohne genaue Zahlen zu nennen. Nichtregierungsorganisationen wie das Venezolanische Gewaltobservatorium (OVV) sehen noch höhere Zahlen. Sie werden wiederum von Regierungsseite kritisiert weil sie angeblich auch Tote von Verkehrsunfällen und anderen Todesursachen mitgerechnet hätten.

Als eine Ursache für die Gewaltkriminalität sieht die Regierung die hohe Zahl von Kleinwaffen in Venezuela. Zwar gibt es keine aktuellen offiziellen Zahlen über den Waffenbesitz. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International vermutet jedoch, dass bis zu zwölf Millionen Kleinwaffen in Umlauf sein könnten. Bei einer Bevölkerung von etwa 28 Millionen wäre somit fast jeder zweite Venezolaner im Besitz einer Schusswaffe. Die Regierung gibt an, zwischen 2003 und 2011 über 250.000 illegale Schusswaffen beschlagnahmt und zerstört zu haben, davon allein 138.000 im vergangenen Jahr.

Bereits im Sommer 2010 hatte das venezolanische Parlament über ein Gesetz zur Entwaffnung und Kontrolle von Waffen und Munition debattiert. In der zweiten Lesung wurde der Gesetzgebungsprozess jedoch unterbrochen, obwohl das Thema im laufenden Wahlkampf von großer Bedeutung war. Das Regierungslager sah eine breitere Diskussion als notwendig an. Seitdem ist es immer wieder zu Ankündigungen gekommen, dass das Gesetz bald verabschiedet werde, bisher hat sich das Parlament aber nicht weiter mit der Entwaffnung befasst.