Chocó. Die kolumbianische Guerillagruppe ELN (Ejército de Liberación Nacional) hatte für den 18. bis 21. Februar einen 72-stündigen bewaffneten Streik in der Region Chocó ausgerufen. Tausende Menschen sind betroffen.
Laut offiziellen Zahlen sind 12.000 Menschen in ihren Gemeinden eingeschlossen, mindestens 3.500 wurden vertrieben. Während solcher Streiks schränken bewaffnete Gruppen die Bewegungsfreiheit ein und drohen mit Vergeltung. Dies verbreitet Angst und beeinträchtigt das tägliche Leben der Gemeinden erheblich.
Die Frente de Guerra Occidental Ogli Padilla der ELN erklärt in ihrem Kommuniqué, der Streik sei eine Reaktion auf die Zusammarbeit von Regierung, Militärs und Söldnern im Chocó und solle diese sichtbar machen. Zudem prangert sie die "ernste humanitäre Situation" in der Region an, für die die Regierung ebenso verantwortlich sei wie für die Ausbreitung von Paramilitärs wie dem Clan del Golfo.
Chocó gehört zu den am stärksten vom bewaffneten Konflikt betroffenen Regionen Kolumbiens. Laut dem staatlichen Statistikinstitut (DANE) lag die Armut dort im Jahr 2023 bei 66,7 Prozent, die extreme Armut erreichte 43,5 Prozent. Diese wirtschaftliche Notlage macht die Bevölkerung besonders anfällig für die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts.
Die Region ist hart umkämpft, insbesondere zwischen der ELN und dem Clan del Golfo. Während dieser Konflikt in vielen Medien als "Kampf um die Kontrolle über Drogenrouten" und "illegale Wirtschaftszweige" dargestellt wird, erklärt die ELN, der Vormarsch der Paramilitärs geschehe vor dem Hintergrund der Pläne der Oligarchie, "Megaprojekte und ihr extraktivistisches Modell in der Region durchzusetzen". Das massive Auftreten von Söldnern diene der Sicherung ihrer Interessen.
Berichten zufolge soll die ELN in 97 der 172 kolumbianischen Gemeinden mit illegalem Drogenanbau aktiv sein und zwischen 105.000 und 140.000 Hektar Koka kontrollieren. Studien von Indepaz (2021) dokumentieren eine territoriale Expansion der ELN, insbesondere in Gebieten mit illegalen Wirtschaften. Die ELN ihrerseits bestreitet eine direkte Beteiligung am Drogenhandel, erhebt aber Steuern von Drogenkartellen und schützt Kokabauern.
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Laut Andrés Macías von der Universidad del Externado und einer Reportage von Reuters entstand nach der Demobilisierung der Farc-Guerilla im Jahr 2016 in den ehemals von ihr kontrollierten Gebieten ein Machtvakuum, das sich seitdem verschiedene bewaffnete Gruppen streitig machen.
Der bewaffnete Streik der ELN hat indes eine humanitäre Krise in Städten wie Istmina, Medio San Juan, Nóvita, Sipí und Litoral de San Juan ausgelöst. Chocós Gouverneurin Nubia Carolina Córdoba hat die Ausrufung des Notstandes gefordert. Das Verteidigungsministerium hat 1.540 Militärs entsandt, "um die Ordnung wiederherzustellen". Die Ombudsstelle mahnt jedoch an, dass militärische Maßnahmen allein die tieferen Ursachen des Konflikts nicht lösen.
Menschenrechtsorganisationen warnten, dass der bewaffnete Streik den Transport von Lebensmitteln und Medikamenten erschwere, was wiederum die Gesundheit und Ernährungssicherheit von Tausenden gefährde.
Im Januar 2025 setzte die Regierung von Präsident Gustavo Petro die Friedensverhandlungen mit der ELN aus, nachdem eine Gewaltwelle in Catatumbo mehr als 60 Todesopfer und 50.000 Vertriebene forderte. Dennoch hält die Regierung grundsätzlich an ihrer Politik des "Totalen Friedens" und dem Dialog mit bewaffneten Gruppen fest (amerika21 berichtete).
Der "paro armado" zeigt erneut, dass der interne bewaffnete Konflikt anhält und schwerwiegende Folgen für die Zivilbevölkerung hat. Lokale Behörden und humanitäre Organisationen fordern eine umfassende Lösung, die Sicherheit, soziale Investitionen und Schutzmaßnahmen für betroffene Gemeinden verbindet.