Port-au-Prince. Fünf Monate nach seiner Ernennung hat Garry Conille seinen Posten als Premierminister Haitis wieder verloren. An seine Stelle setzte der Übergangsrat in einem umstrittenen Verfahren den Geschäftsmann Alix Didier Fils-Aime. Conille stand zuletzt in einem Machtkampf mit dem Rat, weil er dessen Forderung nach Entlassung von drei Mitgliedern des neunköpfigen Gremiums ignorierte.
Der neue Premier versprach, wie sein Vorgänger, "Frieden und Sicherheit" für das krisengeschüttelte Karibikland.
Die Institution des Übergangsrates wurde im April eingerichtet, um einen rechtlichen Rahmen für den Einsatz einer internationalen Polizeimission bereitzustellen. Die ausländische Intervention soll durch "Bandenbekämpfung" dazu beitragen, die Kontrolle und das Funktionieren der staatlichen Institutionen im Land wiederherzustellen. Die Mission steht unter kenianischer Führung. In einer sicheren Umgebung sollen allgemeine Wahlen im nächsten Jahr organisiert werden. Haiti wählte ein Parlament und einen Präsidenten zuletzt im Jahr 2016.
Im Land selbst findet der Austausch an der Spitze wenig Beachtung. Die Fähigkeit des Staates, das Land zu kontrollieren, hat trotz der vom UN-Sicherheitsrat genehmigten Multinationalen Sicherheitsmission weiter abgenommen. Zwei Vorfälle aus den letzten Tagen stehen stärker in der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Ein Drohnen-Video vom 9. November, das seither in den Medien ist, zeigt die Exekution eines unbewaffneten Mannes durch Polizeikräfte in einem der Armenviertel. Das Opfer näherte sich einem schwer gepanzerten Polizeifahrzeug. Offensichtlich fand noch ein Wortwechsel statt, bevor ein Beamter ausstieg und das Opfer tötete.
Am Mittwoch berichtete die Organisation für medizinische Nothilfe Ärzte ohne Grenzen (MSF), dass zwei von ihr transportierte Verletzte getötet wurden. Einer ihrer Krankenwagen wurde demnach Anfang der Woche in Port-au-Prince von "Mitgliedern einer Bürgerwehr und Ordnungskräften" angehalten.
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Der Krankenwagen, der drei junge Männer mit Schusswunden transportierte, wurde kurz vor dem MSF-Krankenhaus im Stadtteil Drouillard gestoppt und gezwungen, die Patienten in ein öffentliches Krankenhaus zu bringen, so die Organisation. Dort "umstellten Polizeibeamte und Mitglieder einer Bürgerwehr den Krankenwagen, schlitzten die Reifen auf und leiteten Tränengas in das Innere des Fahrzeugs, um die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen zum Aussteigen zu zwingen".
Die verletzten Patienten wurden ein Stück weit weggebracht und mindestens zwei von ihnen wurden nach MSF-Angaben hingerichtet.
Auf den Wechsel im Amt des Premierministers reagierte indes die Koalition von "Banden", Viv Ansanm (Zusammen leben). Einer ihrer Sprecher, Jimmy Chérizier, kündigte verstärkte Kampfeinsätze an und forderte die Bevölkerung auf, nicht ohne zwingenden Anlass auf die Straßen zu gehen.
Für Viv Ansanm sei "die Zeit der Beobachtung" der Situation zu Ende. Das Bündnis hatte sich zu Beginn der Multinationalen Sicherheitsmission an den damaligen Premier Conille gewendet und die Einbeziehung der ausgeschlossenen Bereiche der haitianischen Gesellschaft wie auch der "Bandenkoalition" in einen Dialog gefordert, der zu einer Lösung der Krise führen solle. Conille wies das Ansinnen zurück (amerika21 berichtete).
Viv Ansanm habe weiter abgewartet, "damit man nicht sagt, dass wir es waren, die die Schulen daran gehindert haben, ihre Türen zu öffnen", so Chérizier.