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Alarmierende Zahlen bei Armut und informeller Arbeit in Peru

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"Informelle" Marktverkäufer in Puno, Peru
"Informelle" Marktverkäufer in Puno, Peru

Lima. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist die Armut in Peru von 2019 bis 2023 in städtischen Gebieten um zehn Prozent gestiegen. Über 60 Prozent der Bevölkerung im ganzen Land lebt in Haushalten, die ausschließlich von Einkommen der informellen Arbeit leben.

Als Ursache für den Anstieg von Armut und informeller Arbeit sieht der Bericht die wirtschaftliche Rezession im Vorjahr und die Folgen der Covid-Pandemie. Zwischen 2004 und 2019 war die Armut durch die wirtschaftliche Entwicklung des südamerikanischen Landes auf 20 Prozent gesunken, ist aber jetzt wieder auf 59 Prozent angestiegen.

Der Anteil der informell Beschäftigten liegt in Peru deutlich über dem Durchschnitt in Lateinamerika und der Karibik, wo 42,5 Prozent der Bevölkerung im informellen Sektor arbeiten.

Weitere 26,5 Prozent der Peruaner leben in Haushalten, in denen das Familieneinkommen gemischt durch formelle und informelle Arbeit bestritten wird. Nur 12,5 Prozent der Haushalte leben ausschließlich von formeller Arbeit. Damit ist Peru an vierter Stelle beim Anteil informeller Arbeit in Lateinamerika und liegt rund 20 Prozent über dem regionalen Durchschnitt. Höher ist der Anteil nur in Nicaragua, Bolivien und Honduras. Andere Statistiken für das Jahr 2023 sehen das Land sogar an dritter Stelle hinter Bolivien und Guatemala.

40 Prozent der informell Tätigen arbeiten in der Landwirtschaft und 45 Prozent im Dienstleistungssektor. Die höchsten Anteile informeller Arbeit weisen die Departamentos Huancavelica im mittleren Westen und Puno im Süden des Landes auf. In einigen ländlichen Regionen liegt der Anteil der informellen Arbeit bei 95 Prozent.

Der Bericht der OECD verweist darauf, das viele Arbeiter zum Beispiel in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft kein eigenes Einkommen haben. Auch im städtischen Bereich gebe es diese Arbeit, in der Familienangehörige in kleinen Geschäften oder Werkstätten ohne formelles Einkommen mitarbeiten.

Regierungsstellen verweisen dagegen auf die sinkenden Zahlen der informellen Arbeit. So habe sich deren Anteil von 75,6 Prozent im Dezember 2022 auf 71,9 Prozent im September 2023 reduziert. Für 2024 werde eine weitere Reduzierung erwartet, schrieb das Mitteilungsblatt der Regierung, El Peruano, im Dezember 2023.

Spezialisten sehen große soziale Probleme durch den hohen Anteil der informellen Arbeit. Silvana Vargas Winstanley, Soziologin und von November 2020 bis Juli 2021 Ministerin für Entwicklung und soziale Inklusion nennt Krankheiten, Lernschwierigkeiten und Probleme im Umgang mit anderen Menschen sowie Ernährungsunsicherheit als Folgen. Besonders betroffen seien Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. 60 Prozent der Kinder unter fünf Jahren und 60 Prozent der Senioren leben in Haushalten mit rein informellen Einkommen.

Obwohl es in Peru Programme wie Cuna Más und Pensión 65 gibt, die sich an Menschen richten, die in Armut und extremer Armut unter den oben genannten gefährdeten Gruppen leben, ist Vargas Winstanley laut Medienberichten der Ansicht, dass diese unzureichend seien.

Für die Fachanwältin für Arbeitsrecht, Kelly Sarmiento Leuyacc, ist der Kampf gegen die informelle Arbeit ein Kampf "auf dem Papier". Arbeiter würden Tag für Tag arbeiten, nur um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Auch gebe es Unternehmen, die mit ihren Arbeitern Dienstleistungsmietverträge abschließen. Dies sei "etwas im übertragenen Sinne, denn der Arbeitnehmer erhält keine Sozialleistungen, keine Vergütung von Überstunden und keinen Kündigungsschutz", erklärte sie in den Medien. 

Der OECD-Bericht verweist auf Costa Rica als Beispiel für einen erfolgreichen Kampf gegen informelle Arbeit. Das mittelamerikanische Land habe 2018 eine Strategie zum Übergang in die Formalität begonnen, das auf Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation basierte. Das Konzept verfolgte einen dreigliedrigen Dialogansatz, an dem Regierung, Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligt sind, wie in dem Bericht hervorgehoben wird.