Santiago. Am 11. September jährt sich der Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes durch Chiles Militär zum 51. Mal. Am Sonntag versammelten sich wie in jedem Jahr wieder Tausende Menschen in der Hauptstadt Santiago, um an einem Gedenkmarsch teilzunehmen.
Menschenrechtsgruppen, Organisationen der Opfer der Diktatur und politische Parteien beteiligten sich an der Demonstration, die vom Zentrum der Stadt bis zum Generalfriedhof führte. Die chilenische Polizei ging gegen die mehrheitlich friedliche Demonstration mit Wasserwerfern und Tränengas vor, 30 Personen wurden festgenommen.
Am Rande des Gedenkmarsches verletzte ein rechter Angreifer zwei Demonstranten mit einem Messer und tötete den 26-jährigen Aktivisten Alonso Verdejo. Dieser erlag einige Stunden später im Krankenhaus San José seinen Verletzungen an Bauch und Rücken. Der mutmaßliche Angreifer, der später als Patricio Salerick Villafaña Juica identifiziert wurde, soll sich nach Informationen des Portals Resumen Latinoamericano aus einer Polizeikette heraus in Richtung der Demonstration bewegt haben.
Die Gewalttat wirft ein Schlaglicht auf die zahlreichen Angriffe Rechtsextremer auf Demonstrationen in Chile. Solche Attacken stehen oft in Verbindung mit - oder unter dem Schutz - der Polizei. Die haben in den letzten Jahren zugenommen. Bereits 2018 wurden auf einem Marsch für das Recht auf Abtreibung drei Frauen bei einem Messerangriff Maskierter verletzt. 2022 wurde die Journalistin Francisca Sandoval während eines Protests in Santiago erschossen.
Wegen fehlendem Schutz vor rechten Angriffen und der Repression der Polizei gegen die Demonstration wurde auch Kritik an der Regierung von Gabriel Boric laut. Ebenso rief der Umstand Kritik hervor, dass Vertreter:innen aus Kuba und Russland, die Tausenden Exilanten Schutz vor Terror und Folter der Diktatur boten, nicht eingeladen waren. Dagegen waren Vertreter:innen der USA, die den Putsch unterstützten, Allendes Regierung sabotierten und Pinochets Militärdiktatur stützten, im Präsidentenpalast willkommen. Präsident Boric selbst blieb in diesem Jahr den Gedenkveranstaltungen fern.
Boric, der noch 2021 dank eines Mitte-Links Bündnisses ins Präsidentenamt gewählt wurde, steht seit längerer Zeit in der Kritik, weil er essentielle Wahlversprechen eines sozialen Wandels nicht umsetzt und blockiert. Umfragen zeigen im Durchschnitt eine Zustimmung von nur etwa 30 Prozent für seine Politik unter der Wählerschaft.
Neben der großen Demonstration am Wochenende werden auch am heutigen 11. September hunderte Veranstaltungen im ganzen Land organisiert. Damit soll an die Zeit des sozialen Aufbruchs der Regierung der Unidad Popular und die darauffolgende brutale 17-jährige Militärdiktatur mit Tausenden Toten, Verschwundenen und Gefolterten erinnert werden.
Unter anderem wird das Radio der Universität Chiles in Zusammenarbeit mit der Stiftung Plagio 18 Geschichten aus dem Buch "50 Erzählungen in 100 Worten, 50 Jahre nach dem Staatsstreich" übertragen. Mit der Initiative "Relatos de la Memoria" (Geschichten der Erinnerung) sollen verlorengegangene Geschichten gerettet und die Erinnerungen an jene Jahre wach gehalten werden.