Fehler und Erfolge der Regierung der Unidad Popular in Chile

Vorabdruck: Abfolge der Ereignisse zwischen der Regierungszeit der Unidad Popular und dem Putsch am 11. September 1973

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Cover des 30. Bandes der "Bibliothek des Widerstands": Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile
Cover des 30. Bandes der "Bibliothek des Widerstands": Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Anlässlich des 40. Jahrestages des Putsches gegen die Regierung von Salvador Allende in Chile veröffentlichen wir auszugsweise einen Beitrag aus dem im Oktober erscheinenden 30. Band der "Bibliothek des Widerstands" des Laika-Verlags. Der Text beschäftigt sich mit den Entwicklungen, die zum Putsch geführt haben. Zum Jahrestag des Putsches sind im Laika-Verlag drei Bücher zu Chile erschienen: Salvador Allende und die Unidad Popular (Band 28), Diktatur und Widerstand in Chile (Band 29) und Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile (Band 30)


Es ist von Vorteil, zunächst die mittelfristigen Zusammenhänge zu berücksichtigen, denn aus diesen entwickelten sich die Bedingungen für eine Militärdiktatur. Dieser Prozess steht im Zusammenhang mit der Regierung der Unidad Popular, genauer gesagt mit dem Scheitern dieses Experimentes. Im Verlauf dieser entscheidenden Niederlage verketten sich Elemente einer Verschwörung oder eines Komplotts mit Fehlern und Irrtümern. Diese Unterscheidung hat vor allem analytischen Charakter, da beide Faktoren in Beziehung stehen. Das bedeutet, dass die Verschwörung durch die Fehler begünstigt wurde und gleichzeitig die Fehler die konspirative Entwicklung förderten.

Die Verschwörung

Die Verschwörung wurde sowohl von der US-amerikanischen Regierung der als auch von politischen Vertretern der betroffenen Bereiche gefördert. Letztere fühlten sich durch die in die Praxis umgesetzten Maßnahmen und/oder durch die Diskurse der Regierungskoalition benachteiligt und handelten entsprechend. Um diesen Aspekt besser zu verstehen, ist es sinnvoll, kurz auf die umgesetzten oder geplanten zentralen Vorhaben der Regierung Salvador Allendes einzugehen, da auf diese Weise das Ausmaß der Bereiche, deren Interessen berührt wurden, ersichtlich wird. Die zentralen Vorhaben waren:

  1. Verstaatlichung der Banken und Finanzgesellschaften
  2. Verstaatlichung des Kupfers, zum größten Teil im Besitz US-amerikanischer Firmen
  3. Intensivierung der Agrarreform
  4. Überführung des vorherigen Privatbesitzes enteigneter Firmen in Kollektiveigentum
  5. Bemühungen um Teilhabe der Arbeiter an der Firmenleitung
  6. Versuch einer Bildungsreform über das Programm für die Nationale Gesamtschule (Escuela Nacional Unificada – ENU)

Es handelt sich um ein sehr breit gefasstes Programm, von dessen Realisierung sich weite in- und ausländische Unternehmensbereiche beeinträchtigt fühlten. Dazu kam jener Teil der Bevölkerung, der eine starke Einbindung des durch die linken Parteien repräsentierten Teils der Volksbewegung ablehnte. Angesichts dieser Maßnahmen trieben die Gruppen der extremen Rechten ihre konspirative Politik voran, unter anderem das Entwenden von Grundnahrungsmitteln. Dies verursachte eine Verknappung, lange Schlangen von Kunden und entsprechenden Unmut. Dies geschah, weil die große Nachfrage – teilweise ein Resultat des Regierungsprogramms zur Einkommensumverteilung – einem veränderten Angebot gegenüberstand. Gründe für Letzteres waren Engpässe in der Produktion, z. B. in den enteigneten Betrieben, und in sehr viel größerem Ausmaß die Manipulation des Angebots aus politischem Kalkül, wie bereits beschrieben.

Die Reichweite der von der Unidad Popular ergriffenen Maßnahmen im Verhältnis zu der paranoiden und konservativen Mentalität der chilenischen Rechten in dieser Zeit ermöglichen ein besseres Verständnis der Verschwörung, da die genannten Maßnahmen einen großen Teil der chilenischen Unternehmer betrafen, ebenso wie die großen amerikanischen Kupferkonzerne. Außerdem brachten die arbeiterfreundlichen Reden der chilenischen Linken große Gruppen, die von Leistung und vor allem von Ordnung besessen waren, gegen sie auf. Letzteren kam in der chilenischen Geschichte seit jeher großer Bedeutung zu, mit symbolträchtigen Persönlichkeiten wie dem Minister Diego Portales, der 1830 ein starkes Präsidialsystem installierte; dem Diktator Carlos Ibañez (1927–1931); dem Präsidenten Arturo Alessandri, der in die Ermordung von jungen aufständischen Nazis 1938 verwickelt war, oder dem Präsidenten Gabriel González Videla, der 1948 die Kommunisten ausschloss, die ihm zuvor ihre Stimmen gegeben hatten. Außerdem muss in Erwägung gezogen werden, dass sich die Regierung Salvador Allendes als ein Experiment eines institutionellen Übergangs zum Sozialismus verstand. Den ersten Schritt auf diesem Weg hatte man über Wahlen erreicht und es verstand sich, dass die nächsten Schritte genauso sein würden.

Diese Faktoren begünstigten die externe Verschwörung. Diese Situation ist nur anscheinend paradox. Für Nixon bedeutete die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs in Chile eine starke Bedrohung. Diese Haltung muss in Zusammenhang mit der Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR verstanden werden, insbesondere nach dem 20. Kongress der KPdSU von 1956, auf dem Nikita Chruschtschow eine Politik des friedlichen Übergangs verteidigt hatte. Schon vor Allendes Amtsübernahme begann die nordamerikanische Regierung mit einer Reihe einiger Manöver und unterstützte andere, zu denen auch die Ermordung des Generals Schneider, Oberkommandeur der Streitkräfte, zählt. Es ist bekannt, dass sich diese Einmischungen fortsetzten. Nixon bestätigte in einem seiner Gespräche mit Kissinger, dass "man die chilenische Wirtschaft zum Jaulen bringen" müsse. Wo es ein Geständnis gibt, braucht es keine Beweise.

Die Fehler

Abgesehen von der Verschwörung müssen die durch die Regierung der Unidad Popular begangenen Fehler aufgezeigt werden, an denen sowohl der Präsident als auch die linken Parteien beteiligt waren.

Bei den Fehlern der Unidad Popular lassen sich drei Hauptaspekte erkennen:

  1. fehlende Einheit in der Regierungskoalition
  2. Unfähigkeit, die Allianz auf die Parteien der Mitte, die Christdemokratie auszuweiten
  3. Versäumnis, den Sozialismus als politisches, soziales und kulturelles System weiterzuentwickeln, was bekanntlich das angestrebte Ziel war

Der erste Fehler, die brüchige Einheit der Koalition, hatte gewichtige Auswirkungen. Das Problem bestand in der Existenz von verschiedenen Positionen zwischen den Hauptparteien der Koalition, insbesondere zwischen der Kommunistischen und der Sozialistischen Partei bezüglich des Umfangs der Regierungsaufgaben und des Charakters der Revolution, die in die Praxis umgesetzt werden sollte. Die Kommunisten hatten, insbesondere am Ende der fünfziger Jahre, die These der nationalen Befreiungsfronten aufgebracht. Aus dieser Strategie leiteten sich drei Fragestellungen hinsichtlich der Koalitionspolitik, der Geschwindigkeit des Prozesses und des Projektes der Volksregierung ab. In Bezug auf die Koalitionspolitik vertrat die Kommunistische Partei die These des breiten Spektrums, was bedeutete, dass auch Parteien des Zentrums in ihr Platz haben sollten. Außerdem hielt sie daran fest, dass der Übergang zum Sozialismus schrittweise vorangehen sollte. Bezüglich der Regierungsaufgaben Allendes forderten die Kommunisten eine moderate Politik und bestanden darauf, dass die Maßnahmen auf keinen Fall über das bei den Wahlen vorgelegte Programm hinausgehen dürften.

Die Sozialistische Partei ihrerseits hatte bei ihrer Vereinigung 1957 die These einer revolutionären Front aufgestellt. Daraus ergab sich eine Politik der Beschränkung von Allianzen, da nur reine Arbeiterparteien zugelassen wurden. Aus diesem allgemeinen Rahmen entwickelten sich gewisse Thesen bezüglich der Geschwindigkeit des Übergangsprozesses zum Sozialismus. Eine demokratische Volksrevolution reichte demnach nicht aus, es war nötig, schneller zum Sozialismus zu gelangen, denn nur in dieser Art von Gesellschaft könnten die Probleme der Entwicklung ebenso gelöst werden wie das Streben nach Tugend und Glück. Die Sozialistische Partei wurde in ihrer Diagnose der Situation Chiles von der Dependenztheorie beeinflusst, die von einigen im Exil lebenden Brasilianern formuliert worden war, unter ihnen Theotonio dos Santos, Vania Bambirra, Emir Sader und Rui Mauro Marini. Diesen Analytikern zufolge musste die Revolution einen sozialistischen Charakter haben, da keine nationale Bourgeoisie existierte, die die "Volksparteien" bei der Verwirklichung einer nationalen demokratischen Revolution begleiten könnte. Daher lehnten sie die Charakterisierung Chiles als kapitalistische Wirtschaft mit halbfeudalen Enklaven ab, insbesondere vertreten durch die Kommunistische Partei und ihre Intellektuellen, unter ihnen José Cademartori in seinem Buch Economía chilena (Chilenische Wirtschaft).

Diese Differenzen, vor allem jene, die die Reichweite der Maßnahmen der Volksregierung betrafen, hatten großen Einfluss auf das Scheitern des Experiments. Der Hauptgrund war, dass sie die Chancen auf eine Bündniserweiterung erschwerten, zumal die Aufgabe darin bestand, auf den Weg zum Sozialismus voranzuschreiten. Andererseits war es sehr schwierig, die Möglichkeit einer Ausweitung des Bündnisses in die Praxis umzusetzen, insbesondere aufgrund der Strukturen im christ- demokratischen Sektor. Die Positionen der extremen Linken innerhalb der Regierung erschwerten dies noch mehr. Wichtige Teile der Sozialistischen Partei glaubten nicht an die Notwendigkeit und die strategische Bedeutung einer Erweiterung des Bündnisses.

Der dritte und möglicherweise wichtigste Fehler war, das angesteuerte Ziel nicht einer erneuten Analyse unterzogen zu haben. Gerade im Hinblick auf die verschiedenen Vorstellungen, wie eine sozialistische Gesellschaft organisiert werden müsste, wäre diese Analyse notwendig gewesen. Einige Teile der Koalition vertraten die Ansicht, der angestrebte Sozialismus solle sich vom Realsozialismus unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig daran zu erinnern, dass die sechziger und der Beginn der siebziger Jahre zur poststalinistische Periode gehören, charakterisiert durch die Rede Nikita Chruschtschows auf dem 20. Kongress der KPdSU im Jahre 1956.

Ein weiterer Grund, der erneute Reflexionen über den Sozialismus erforderlich machte, hängt mit der strukturellen Wechselwirkung der in Chile existierenden Kräfteverhältnisse in jener Zeit zusammen. Der Hauptgrund ist die Existenz einer politischen Mitte, die die Aufgabe hatte, den Wahlausgang zu bestimmen, sobald sich die extremen Koalitionen in einer Pattsituation befanden. Die Mitte wurde zeitweilig von beiden Seiten benötigt, so auch während der Regierungszeit von Salvador Allende. Die Unidad Popular sah sich gezwungen, die Koalition zu erweitern, um auf diese Weise ihr Überleben zu sichern und vor allem größere Kräfte für den weiteren Weg zu einer Mehrheit zu gewinnen. Diese schwierige Situation erforderte eine Verständigung mit den Christdemokraten, die seit den sechziger Jahren die Hauptkraft der Mitte stellten. Es handelte sich hierbei um eine strategische Notwendigkeit. Für eine Einigung mit dieser Richtung, wäre es nötig gewesen, das sozialistische Ziel neu zu definieren, um statt einer Diktatur des Proletariats eine Demokratie der Arbeiter voranzubringen. Diese hätte ein Nachdenken über diverse Formen des sozialen Eigentums anstelle von ausschließlich kollektiven Eigentumsformen erfordert. Außerdem (oder insbesondere) hätte diese der Reflexion über eine Demokratie pluralen Typs bedurft. Ohne diese Modifizierung des Sozialismus war es nicht denkbar, einen realen Block für die Veränderungen zu bilden. Selbst mit dieser Veränderung wäre es immer noch schwierig gewesen, denn in der Partei der Mitte gab es zwei oder drei Tendenzen. Einer ihrer Flügel stellte einen einflussreichen Sektor dar, der sich der Rechten zuordnen ließ, vor allem durch seine antilinke und insbesondere antikommunistische Färbung.

Die fehlende Neudefinition des Sozialismus trug zur Niederlage bei. Die Ursachen für diese waren jedoch offensichtlich vielschichtig. Wie bereits angesprochen, wirkten machtvolle externe Faktoren auf die Regierung Allendes ein, zusätzlich zu einem enormen inneren Druck. Insofern erklären die Fehler der Regierung nicht alles, denn die durch Nixon in Bewegung gesetzte Verschwörung agierte zum großen Teil unabhängig von dem, was die Unidad Popular tat. Die Unmöglichkeit, die Beziehungen zwischen den inneren Kräften zu ändern, basierte auf dem Umstand, die Christdemokraten nicht von einer politischen Unterstützung der Regierung, und sei es nur eine taktische, überzeugen zu können. Dies ebnete den Verschwörern den Weg.

Die Voraussetzungen des Putsches

So wurden die Voraussetzungen für den Militärputsch geschaffen. Der politische Kampf hatte zu einem emotionalen Klima geführt, zu einer Atmosphäre des Hasses. Die Rechte sah die Unidad Popular und die Regierung als Teufelskräfte an, die Linke hielt ihre Gegner für Antipatrioten, für Kräfte, die sich "an den Imperialismus verkauft hatten". Die Regierungsopposition rief im Namen der Verteidigung der Demokratie zum Putsch auf, trug aber im Verlauf der Verschwörung dazu bei, die verfassungsmäßigen Institutionen zu untergraben. Für die linken Militanten entwickelte sich der Weg der Hoffnung zur Tragödie. Für viele Anhänger der Rechten und auch für einen Teil der Militanten und Sympathisanten der Christdemokraten wich das Gefühl von Gefahr einem Ausdruck von Freude. In anderen Bereichen war man der Ansicht, dass die Vorfälle das kleinere Übel darstellten, das akzeptiert werden müsse. Es hatte sich eine Gesellschaft entwickelt, die durch widersprüchliche und extreme Begeisterung oder durch einen tragischen Realismus gekennzeichnet war.

Der internationale Zusammenhang

Die Zeit zwischen 1964 und 1973 stellte in der Entwicklung des kalten Krieges eine Übergangzeit dar. Sie war gekennzeichnet vom Misserfolg des Reformprojektes, das Nikita Chruschtschow 1956 anlässlich des 20. Parteitages der KPdSU ankündigt hatte. 1964 wurde er zum Rücktritt gezwungen und durch die Parteibürokratie ersetzt, an deren Spitze Leonid Krejnev stand. Wie zum Beweis, dass sich keine fundamentalen Veränderungen vollzogen hatten, marschierten 1968 die sowjetischen Truppen in der Tschechoslowakei ein, um zu verhindern, dass sich das Land einer neuen Art des Sozialismus zuwendete. In Kuba hatte sich die Revolution gefestigt, insbesondere 1961 nach dem militärischen Sieg gegen den Invasionsversuch in der Schweinebucht. 1962 verhängte Kennedy das Embargo gegen Kuba und später müssten die Kubaner wütend akzeptieren, dass die sowjetischen Raketen, die von ihrem Territorium aus gegen die USA gerichtet worden waren, abgebaut wurden. Die UdSSR verhandelte und erreichte die Entfernung der amerikanischen Raketen in der Türkei.

Die andere Großmacht, die USA, war über die Ermordung von John F. Kennedy 1963 und die seines Bruders Robert Kenndy 1968 entsetzt. Die USA waren insbesondere durch die Beendigung des Vietnamkrieges gezeichnet. 1973 begann der Truppenrückzug, 1975 wurde das Friedensabkommen unterzeichnet. Ebenso prägte die von Nixon angeordnete Spionage in den Büros der Demokratischen Partei das Land. 1974 wurde Nixon zum Rücktritt gezwungen.

Gegen Ende der sechziger Jahre fand in Paris die große Studentenrevolte von 1968 statt. Die Bewegung begann in einer gerade eröffneten Universität, erfasste die gesamte akademische Welt und auch die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Frankreich wurde für etwa 20 Tage von einem Generalstreik lahmgelegt. De Gaulle rief nach langem Zögern Neuwahlen aus und gewann sie. Die zunächst erfolgreiche Studentenbewegung endete in einer unerwarteten Niederlage.

In Lateinamerika ereigneten sich in den zwei größten Ländern des Kontinents, Brasilien und Argentinien, Militärputsche. In Brasilien regierten die Militärs zwischen 1964 und 1985. In Argentinien war die Diktatur kurzlebiger. 1966 übernahm das Militär mit General Juan Carlos Ongania an der Spitze die Macht. Sie hielten sich bis 1973 unter der Führung des Generals Alejandro Lanusse. Später kam der Peronist Héctor Campora an die Macht, es wurde die Rückkehr des Führers Juan Domingo Perón erwartet. Ebenfalls in Lateinamerika, in diesem Fall in Peru, übernahmen die Militärs unter der Führung des Generals Juan Velasco Alvarado die Regierung und führten wichtige Reformen im Agrar- und Bankenwesen ein. Als sie 1975 versuchten, den Einfluss der Massenmedien zu beschneiden, ereignete sich ein Gegenputsch, geführt durch einen gemäßigteren Teil des Militärs unter General Francisco Morales Bermúdez. 1967 kam Ernsto Ché Guevara in Bolivien um. Dieses Ereignis kennzeichnete das Ende der ländlichen Guerillas, die sich in Peru, Venezuela und Guatemala formiert hatten. Lediglich in Kolumbien existierten sie weiter.

Ab 1970 wurde das kapitalistische System weltweit von einer schweren Wirtschaftskrise getroffen. Dies beförderte Regierungsstile neoliberaler Prägung, die sich in Großbritannien mit Margaret Thatcher und in den USA mit Ronald Reagan etablierten.

Die unmittelbaren Ereignisse: die terroristische Diktatur mit Plan

Die chilenische Diktatur kann, begrifflich streng gefasst, als terroristische Diktatur mit kapitalistischer Ausrichtung neoliberaler Prägung klassifiziert werden. Sie hatte zwei Phasen: Eine ist die der terroristischen Repression als solcher und die andere ist die der terroristischen Repression, in der zugleich Einfluss auf die Verfassung genommen wurde. Die erste dauerte vom Zeitpunkt des Putsches bis zur Volksabstimmung, bei der der autoritären Verfassung von 1980 zugestimmt wurde. Die zweite umfasste den Zeitraum zwischen dieser Zustimmung und der Abstimmung von 1988, die Pinochet verlor.

(…) Nun muss die unmittelbare Vorgeschichte behandelt werden, die Militärdiktatur. Sie beginnt mit dem Militärputsch am 11. September 1973, der im Namen der "Wiederherstellung der Demokratie" verübt wird. Nichtsdestotrotz werden beinahe von Anfang an vier Arten von Maßnahmen angewendet, die in eine andere Richtung weisen. Diese sind:

  1. Abschaffung der demokratischen Institutionen und daran anschließende Ernennung eines Militärpräsidenten, Ausschaltung der beiden Kammern des Parlamentes, Zerstörung der Wahlregister und Verbot der politischen Parteien
  2. Aufbau repressiver Organe unter Anwendung einer Praxis der Inhaftierung und/oder Folter sowie des Verschwindenlassens von linken Militanten, die als gefährlich angesehen werden
  3. Einsetzung von Institutionen zur Erarbeitung einer neuen Verfassung autoritären Typs
  4. Entwicklung eines sozioökonomischen Programms liberaler Prägung, das sich zu einem extrem liberalen Programm entwickelt und später unter dem Namen des Neoliberalismus bekannt wird.

Auszugsweiser Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Laika-Verlages. Der komplette Text erscheint im Oktober 2013: Tomás Moulián: "Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung", In: Willi Baer und Karl-Heinz Dellwo (Hg.): Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile, Band 30 der Bibliothek des Widerstands, Hamburg: Laika-Verlag. Das Buch ist Teil einer Reihe zur chilenischen Militärdiktatur:

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