Präsident von Argentinien bekräftigt Politik des neoliberalen Schocks

Parlamentseröffnung mit Polemiken und Konfrontation seitens Milei. "Angebot" soll Widerstand der Provinzgouverneure brechen

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Javier Milei nach seiner Rede im Parlament
Javier Milei nach seiner Rede im Parlament

Buenos Aires. Präsident Javier Milei hat am Freitag im Kongress in Argentinien die Rede zur Eröffnung der 142. parlamentarischen Saison gehalten. Sie enthielt einen "Vorschlag" an die Provinzgouverneure, die sich Mileis Maßnahmen widersetzen, sowie heftige Polemiken gegen politische Gegner in Politik und Gesellschaft.

Die üblicherweise am Vormittag stattfindende Eröffnungszeremonie wurde auf Wusch des Präsidenten auf den Abend verschoben, um in der Prime Time über die Medien ausgestrahlt zu werden.

Nachdem Milei kürzlich das Parlament als "Rattennest" bezeichnet hatte und er Provinzgouverneure für die Zurückweisung seines Gesetzentwurfes verantwortlich gemacht hatte (amerika21 berichtete), gab es zahlreiche Spekulationen und Filtrationen über mögliche Ankündigungen für diesen Tag. So wurde über eine vorgezogene Dollarisierung ebenso gemutmaßt wie über die Intervention in Provinzen oder gar eine Auflösung des Parlaments. Letzteres würde dem Beispiel von Präsident Alberto Fujimori 1992 in Peru folgen.

Diese Gerüchte sollen teilweise aus seiner eigenen Umgebung gekommen sein. Aber auch Milei selbst schürte Anspannung, indem er noch am Vormittag über das Soziale Netzwerk X einen Auszug aus dem alten Testament auf hebräisch veröffentlichte. In diesem wird Moses von Gott aufgefordert, neue Gesetzestafeln vorzubereiten, nachdem er die ersten zerschlagen hatte, als er vom Berg Sinai stieg und sein Volk das goldenen Kalb anbeten sah. Die Anspielung sollte nach verbreitetem Verständnis seinem zurückgewiesenen Ermächtigungsgesetz gegolten haben.

Die Rede selbst enthielt schließlich jedoch keine sehr großen Überraschungen. Sie wiederholte viele seiner Wahlkampfparolen gegen den "perversen Staat", die "Politkaste", die Peronisten und die Gewerkschaften, darunter auch namentliche Angriffe auf konkrete Personen. Milei präsentierte Selbstlob und eine Lagebeschreibung mit Daten, die Kritiker umgehend als verfälscht oder unzutreffend einstuften. Besonderen Anstoß erregte jedoch eine Polemik des Präsidenten über die Handhabung der Pandemie durch die vorige Regierung. Er behauptete, wenn man die Sachen besser gemacht hätte, wären es nur 30.000 Tote gewesen und diese wären "echt". Mit letzterem bekräftigte Milei seine Leugnung der Anzahl an Verschwundenen während der Militärdiktatur. Im Übrigen lag die Sterblichkeit durch Covid in Argentinien unter dem regionalen Durchschnitt.

Als relevant wird jedoch der Vorstoß in Richtung der Gouverneure angesehen, denen Milei einen "Mai-Pakt" vorschlug. Dazu sollte die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes nachgeholt werden und die Gouverneure müssten eine Liste von zehn Punkten unterzeichnen. Diese fängt mit der Unverletzbarkeit des Privateigentums an, die allerdings bereits in der Verfassung verankert ist. Es folgt die Verpflichutng auf ein Haushaltsgleichgewicht, eine Senkung der Staatsquote auf 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, Reformen des Steuer- und Arbeitsrechts, des politischen Systems und der Mittelverteilung mit den Provinzen. Die Liste lehnt sich stark an die Vorgaben des neoliberalen Washingtoner Konsensus von 1990 an (eine Analyse von 2007 auf amerika21 hier). Der Präsident betonte, dass ohne diese Unterschrift die Mittel für die Provinzen weiterhin blockiert bleiben würden.

Nach dem Scheitern seiner Gesetzesvorlage Anfang Februar hatte die Zentralregierung den Provinzen ein Großteil der Mittel gestrichen. In Argentinien werden die Steuern vom Bund eingezogen und an die Provinzstaaten nach einem vorgegebenen Schlüssel verteilt. Durch die Blockade dieser Gelder gerieten viele Provinzen in ernste Zahlungsprobleme. Die Gouverneure der patagonischen Provinzen drohten daraufhin, die Produktion von Erdöl und Gas einzustellen. Die Befassung der Justiz mit diesem Konflikt wendete eine Unterbrechung jedoch ab. Die Forderung des Präsidenten in seiner aktuellen Rede erneuert nun die Konfrontation.

Im Parlament weilte während Mileis Rede auf den Besucherlogen eine Gruppe von Anhängern, die ihm zujubelten.

Um das Parlament herum hatte sich jedoch eine große Menschenmasse versammelt, die Parolen gegen Milei und seine Politik skandierten. Ein gewaltiges Polizeiaufgebot von 5.000 Beamten sicherte die Gegend um das Parlament und hatte frühzeitig die umliegenden Straßen abgeriegelt.

In den knapp 70 Tagen seiner Regierung haben sich nach der massiven Abwertung des Peso im Dezember, der Freigabe von Tarifen und der Einstellung aller öffentlichen Arbeiten die Wirtschaftsdaten katastrophal verschlechtert. Inflation, Arbeitslosigkeit und Armut sind sprunghaft gestiegen und der Rückhalt in der Bevölkerung ist bereits stark zurückgegangen.