"Unangemessene Rolle": Regierung von Venezuela weist UN-Menschenrechtsbeamte aus

_ohchr.jpg

Gil warf dem OHCHR mangelnde Unparteilichkeit vor
Gil warf dem OHCHR mangelnde Unparteilichkeit vor

Caracas. Die Regierung von Venezuela hat das lokale Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) angewiesen, seine Tätigkeit im Land einzustellen.

Die chavistische Menschenrechtsgruppe Surgentes bedauerte dies und forderte die Regierung auf, die Arbeit des Büros wieder zuzulassen.

Außenminister Yvan Gil erklärte, die Entscheidung sei aufgrund der "voreingenommenen Haltung" und der "unangemessenen Rolle" getroffen worden, die die UN-Menschenrechtsbehörde gespielt habe. Sie habe Straffreiheit für Personen gefordert, die an gewaltsamen Putschversuchen beteiligt waren. Caracas gab den OHCHR-Mitarbeitern 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen.

Hintergrund war die Verhaftung der Oppositionsaktivistin Rocío San Miguel wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an einem Komplott zum Angriff auf Militäreinheiten und zur Ermordung von Regierungsbeamten, das Berichten zufolge im vergangenen Jahr vereitelt wurde. Im Januar gaben die Behörden bekannt, dass 32 Personen festgenommen wurden und weitere Verhaftungen folgen würden.

Die verzögerte Information der Justizbehörden über den Verbleib von San Miguel nach ihrer Verhaftung löste Kritik aus. Das OHCHR erklärte, dies sei möglicherweise als "gewaltsames Verschwindenlassen" einzustufen und forderte ihre "sofortige Freilassung".

Minister Gil warf dem OHCHR mangelnde Unparteilichkeit vor und forderte es auf, seine "kolonialistische Haltung" zu korrigieren. Caracas werde weiterhin mit internationalen Menschenrechtsmechanismen nach dem Grundsatz der Nichteinmischung zusammenarbeiten, so Gil.

San Miguel, Präsidentin einer NGO, wurde am 9. Februar auf dem Flughafen festgenommen, bevor sie mit ihrer Tochter einen Flug nach Miami (USA) antrat. San Miguels Anwälte prangerten jedoch ein "gewaltsames Verschwindenlassen" an und argumentierten, dass die Familie nicht darüber informiert wurde, wo sie festgehalten wird, und ihr die Kommunikation verweigert wurde. Diese Behauptung wurde von mehreren NGOs, Oppositionsvertretern und US-Beamten wiederholt.

Am 11. Februar informierte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab, dass San Miguel wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an einer Verschwörung verhaftet worden sei. Laut Saab bestand ihre Rolle darin, "in Echtzeit den Fortschritt der sich entwickelnden terroristischen Aktionen zu kommunizieren". Ihre Beteiligung wurde Berichten zufolge von dem Ex-Militäroffizier Anyelo Heredia offengelegt, der am 16. Januar verhaftet wurde und ein Geständnis zu der Operation und den Teilnehmern abgelegt habe.

Am 12. Februar stellte Saab klar, dass San Miguel in der Haftanstalt Helicoide des Geheimdienstes in Caracas festgehalten wird und gegen sie u.a. wegen Hochverrats, Verschwörung und Terrorismus ermittelt wird. Ihre Verhaftung sei im Einklang mit der Gesetzgebung erfolgt. Ihr Fall werde von Menschenrechtsorganisationen politisiert, erklärte er.

Am 15. Februar stellte das UN-Menschenrechtsbüro fest, dass die Behörden den Ort der Inhaftierung von San Miguel bestätigt hatten, und forderte Garantien für ihr Recht auf Verteidigung.

Etwa zwei Stunden später teilte Caracas die Entscheidung mit, die UN-Beamten aus dem Land auszuweisen.

San Miguel gründete 2005 die NGO Control Ciudadana, um mutmaßliche Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte zu dokumentieren. Eine Untersuchung von 2021 über die Rolle der NGO ergab, dass sie keine klaren Informationen über ihre Finanzkanäle angibt. Ein Wikileaks-Kabel aus dem Jahr 2007, das vom ehemaligen US-Botschafter in Venezuela, William Brownfield, gesendet wurde, habe San Miguel als "aktiven Partner" der US-Behörde USAID bezeichnet.

Die Entscheidung, das OHCHR zu schließen, löste in Venezuela eine Debatte aus. Das chavistische Menschenrechtskollektiv Surgentes warnte, dass sie "negative Auswirkungen auf die Opfer von Menschenrechtsverletzungen" haben würde.

Surgentes räumte ein, dass internationale Organisationen die Menschenrechte instrumentalisieren, um Regierungen anzugreifen. Dies treffe jedoch nicht auf die Arbeit des OHCHR im Land zu. Sie forderte die Regierung auf, die festgefahrene Situation "durch Dialog und diplomatische Mittel" zu lösen, sodass das Büro seine Tätigkeit umgehend wieder aufnehmen kann.

"Der Staat täte gut daran, seine Gründe [für die Ausweisung des UN-Personals] mit Fakten zu untermauern, um die öffentliche Debatte über die Legitimität der getroffenen Maßnahme zu fördern. Angesichts dieses Versäumnisses sieht die Entscheidung wie eine willkürliche Antwort auf die Äußerung des OHCHR bezüglich der Inhaftierung der Aktivistin Rocío San Miguel aus", heißt es in dem Text.

Die Menschenrechtsgruppe fügte hinzu, dass bei ihrer Verhaftung Unregelmäßigkeiten in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Verfahren vorlagen und dass diese Praktiken auch in anderen Fällen beobachtet wurden.