Caracas/Georgetown. Auf harsche Kritik sind in Venezuela jüngste Äußerungen und Aktivitäten der Regierung von Guyana im Konflikt um den ölreichen Esequibo-Streifen gestoßen.
Guyanas Vizepräsident Bharrat Jagdeo erklärte am Freitag, zur Verteidigung des umstrittenen Gebietes würden "alle Optionen geprüft" und die Militärkooperation mit den USA verstärkt. Geplant seien auch "Operationsbasen mit ausländischer Beteiligung" im Esequibo. Zwei Teams des US-Verteidigungsministeriums würden in der nächsten Woche erwartet, im Dezember folgten weitere.
In der Nacht zuvor sorgte Guyanas Präsident Irfaan Ali für Zündstoff: Gemeinsam mit Militärs hisste er über dem von Venezuela beanspruchten Gebiet auf dem Berg Pakarampa, nur wenige Kilometer vom venezolanischen Bundesstaat Bolívar entfernt, die guyanische Flagge und sagte den nationalen Treueeid auf.
Dieses Auftreten des Präsidenten und die "Einladung" an das US-Südkommando, eine Operationsbasis in dem Gebiet einzurichten, seien eine Provokation, sagte Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Auf die Art sei der Konflikt nicht zu lösen: "Ich antworte den Führern der Kooperativen Republik Guyana, dass dies so gelöst wird, wie Präsident Nicolás Maduro gesagt hat: mit Dialog, mit Diplomatie, durch Gespräche, um zu einer für beide Seiten zufriedenstellenden Einigung zu kommen", betonte Padrino.
Unterdessen laufen in Venezuela die Vorbereitungen für das Referendum am 3. Dezember, mit dem die Unterstützung der Bevölkerung für den seit Jahrhunderten bestehenden Anspruch des Landes auf den Esequibo-Streifen festgestellt werden soll.
Der Streit zwischen Venezuela und Guyana über die 160.000 Quadratkilometer große, rohstoffreiche Esequibo-Region geht auf die Kolonialzeit zurück und "ruhte", bis das US-Unternehmen Exxon Mobil 2015 in der Region bedeutende Ölreserven entdeckte. Seitdem haben die Regierungen Guyanas Ausschreibungsverfahren für die Ölexploration in den Hoheitsgewässern des Streifens gestartet. Dies verstößt nach Ansicht von Caracas gegen den ungelösten Rechtsstreit.
Guyana behauptet, dass der Esequibo-Streifen durch einen Schiedsspruch aus dem Jahr 1899 dem Vereinigten Königreich Großbritannien, der ehemaligen Kolonialmacht des Landes, zugesprochen wurde. Venezuela hält den Schiedsspruch aufgrund der Abwesenheit venezolanischer Verhandlungsführer für unrechtmäßig und verteidigt das von den Vereinten Nationen vermittelte Genfer Abkommen von 1966, das nach der Unabhängigkeit Guyanas im selben Jahr eine Verhandlungslösung zwischen den beiden Ländern vorsah.
2018 ersuchte Georgetown den Internationalen Gerichtshof (IGH), die Gültigkeit der vom Pariser Tribunal 1899 gezogenen Grenze zu bestätigen. Caracas protestierte mit der Begründung, dass das in Den Haag ansässige Gericht in dieser Angelegenheit nicht zuständig sei. Dies wurde jedoch zurückgewiesen.
Am 13. November wurden Vertreter beider Länder in den Sitz des IGH geladen, nachdem Guyana das Gericht ersucht hatte, das Referendum in Venezuela zu suspendieren. Während der Anhörung verteidigte Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez das Recht, diesen Wahlprozess durchzuführen und lehnte eine ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes ab.
Bei dem Referendum werden den Venezolanern fünf Fragen gestellt: Ob sie das Schiedsverfahren von 1899 ablehnen, das Abkommen von 1966 als einzigen verbindlichen Mechanismus zur Lösung des Problems anerkennen sowie die Zuständigkeit des IGH und die einseitige Aneignung der Hoheitsgewässer des Esequibo durch Guyana für die Ölförderung abehnen.
Die abschließende Frage ist, ob sie mit der Gründung eines neuen Bundesstaates namens Guayana Esequiba in der umstrittenen Region einverstanden sind und dass den Bewohnern die venezolanische Staatsbürgerschaft zuerkannt und Sozialprogramme für die rund 125.000 dort lebenden Menschen durchgeführt werden.
Besonders die letzte Frage kritisiert die Regierung von Guyana und behauptet, sie ebne den Weg für eine "einseitige und illegale" Annexion des Gebiets.
Das Referendum ist indes nicht bindend und wird sich nicht auf den Rechtsstreit um den Esequibo-Streifen auswirken. Einige Analysten gehen davon aus, dass die Abstimmung dazu dient, die Unterstützung der Bevölkerung auszuloten und ein potenziell wichtiges Wahlkampfthema im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 zu besetzen.
Caracas wirft nun der Regierung Guyanas vor, sich mit dem US-Südkommando zusammenzutun, die regionale Stabilität zu bedrohen und von Exxon Mobil Finanzmittel im Austausch gegen Lizenzen für die Ölexploration erhalten zu haben, um das Verfahren vor dem IGH durchzuführen.
Präsident Maduro erklärte am Dienstag bei einem Treffen mit Schülern und Studenten, Exxon Mobil sei "Eigentümer" der Regierung und des Kongresses von Guyana, "die den Reichtum des Esequibo unter den schlechtesten Bedingungen weitergegeben haben". Der Ölkonzern habe "die gesamte politische Klasse in Guyana und sogar einige politische Sektoren hier" gekauft und eine Kampagne gestartet, um die Menschen glauben zu machen, dass Venezuela in dem Konflikt eine aggressive oder kriegerische Haltung einnehme. Das Referendum solle sabotiert werden.
"Wir weisen die 150 Jahre des Übergriffs durch das britische Imperium und jetzt durch Exxon Mobil und das US-Südkommando zurück. Venezuela muss respektiert werden", betonte Maduro.