El Salvador: Präsident Bukele meldet seine Kandidatur zur Wiederwahl an

Anfechtungen der Verfassungsmäßigkeit. Zustimmung für den im Ausnahmezustand Regierenden enorm. Warnungen vor weiterer Machtkonzentration

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Von Sicherheitsleuten umringt, verkündete Nayib Bukele kurz vor Ablauf der Frist seine Kandidatur
Von Sicherheitsleuten umringt, verkündete Nayib Bukele kurz vor Ablauf der Frist seine Kandidatur

San Salvador. Wenige Minuten vor Ablauf der Frist haben der amtierendende Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, und sein Vize, Félix Ulloa, am vergangenen Freitag kurz vor Mitternacht ihre Kandidaturen für das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt bekannt gegeben.

Am 4. Februar 2024 werden außer den Spitzenämtern auch die Abgeordneten zum Parlament neu gewählt.

Eigentlich verbietet die Verfassung eine zweite Amtszeit eines Präsidenten in Folge. Ein Urteil der Verfassungskammer im September 2021 legte allerdings einen der insgesamt sechs entsprechenden Artikel neu aus. Bukele hatte zuvor fünf Richter in der Institution ausgetauscht und somit den Weg für seine Wiederwahl geebnet (amerika21 berichtete). Die salvadorianische Opposition wie auch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen prangern an, dass Bukele mit seiner Kandidatur jegliche Machtbefugnisse an sich reiße und bezeichnen eine Wahl mit Bukeles Kandidatur als verfassungswidrig.

Der Konflikt folgt auf eine Reihe von gravierenden Reformen, die die Wahlkarte des Landes und das gesamte System der repräsentativen Regierung völlig neu gezeichnet haben. Erst im vergangenen Juni folgte die Legislative Bukeles Vorschlag, fast ein Drittel der Sitze im Parlament zu streichen, sowie über 80 Prozent der Gemeindevertretungen des Landes abzuschaffen. Anhand von Wahlmodellen, die auf den Wahlergebnissen von 2021 basieren, zeigen Analyst:innen auf, dass die neue Methode dazu führt, dass Bukeles Partei "Nuevas Ideas" ein noch größerer Anteil an Sitzen in der gesetzgebenden Versammlung eingeräumt wird. Kleinere Parteien hingegen seien bedroht, ganz aus der politischen Sphäre zu verschwinden.

Die salvadorianische Menschenrechtsorganisation Cristosal betonte in ihrem neuesten Bericht, dass es unabdingbar sei, die Pluralität der Parteien zu respektieren. "Die Konzentration der Macht und die Aufhebung der Gewaltenteilung sind kein Fortschritt, sondern eine Gefahr für uns alle. Unsere Geschichte ist geprägt von Machtkonzentration, Autoritarismus, Wahlfälschungen und Menschenrechtsverletzungen. Wir dürfen den Fehler nicht wiederholen, erneut ein diktatorisches Regime in El Salvador zu errichten." Außerdem appelliert das Schreiben an das Wahlgericht, die Kandidatur Bukeles nicht zuzulassen.   

Bukele versprach, dass im Falle eines Wahlsiegs "die Arbeit in Bereichen wie Bildung und Gesundheit fortgesetzt" werde. Dabei stimmte erst vor wenigen Tagen der von der Partei des Präsidenten kontrollierte Kongress für eine Reform des Staatshaushalts 2023. Darin betreffen die größten Kürzungen künftig das Bildungsministerium mit 60,4 Millionen US-Dollar, das Ministerium für Justiz und Sicherheit mit 14 Millionen, das Gesundheitsministerium mit 7,4 Millionen sowie das Ministerium für lokale Entwicklung mit 10,9 Millionen. Nach Angaben der Abgeordneten Suecy Callejas von Nuevas Ideas sollen die durch die Kürzungen erbrachten Mittel zur Zahlung der Staatsschulden genutzt werden.  

Bukele erklärte außerdem, dass sein Ziel nicht nur darin bestehe, die Wahlen 2024 zu gewinnen, sondern auch die traditionellen Parteien zu "begraben". Dafür müsse seine Partei "an sämtlichen Wahlurnen triumphieren". Die im Zuge der Reformen aufgelösten Gemeindeverwaltungen sollen wenige Wochen vor den Wahlen in Bezirke umgewandelt werden, die von nicht gewählten, sondern von durch die Exekutive ernannten Repräsentant:innen vertreten werden.

Die US-amerikanische Solidaritätsbewegung Cispes, die bis in die 1980er Jahre zurück reicht, prangert an, dass in dem Land somit das Prinzip der kommunalen Autonomie ausgehebelt werde, das in den bestehenden Gesetzen fest verankert ist. Demokratische Wahlen auf kommunaler Ebene seien auf diese Weise unmöglich gemacht worden.   

Am 4. Februar wird Bukele gegen sechs andere Kandidaten antreten. Dass eine:r der Gegenkandidat:innen gegen Bukele gewinnen wird, gilt als äußert unwahrscheinlich. Umfragen zeigen, dass er der Präsident mit den höchsten Zustimmungsraten, nicht nur in seinem Land, sondern in ganz Lateinamerika ist. In verschiedenen Umfragen wird ihm eine Zustimmung von rund 90 Prozent bescheinigt. Außerdem dürfte das durch die Reformen entstandene bürokratische Chaos kurz vor den Wahlen letztlich Bukele und seiner Regierungspartei zugutekommen. Sie können im Wahlkampf nun auch auf ein überdimensioniertes Kommunikationsbudget und die ausgereiften Propagandaoperationen des Präsidenten zählen.

Gleichzeitig steht Bukeles Popularität Berichten über zahlreiche und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen während des immer noch geltenden Ausnahmezustands in El Salvador im "Kampf gegen Bandenkriminalität" gegenüber. Amnesty International etwa hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es im "Krieg" gegen kriminelle Banden ("Maras") zu massiven Menschenrechtsverletzungen und zur Schwächung der Rechtsstaatlichkeit gekommen sei.

Nach Ansicht des UN-Menschenrechtsbüros "untergräbt der verlängerte Ausnahmezustand das Recht auf ein faires Verfahren". Es weist darauf hin, dass die Maßnahmen der Regierung "Menschen kriminalisiere, die in den ärmsten Gegenden leben und in der Vergangenheit von Banden verfolgt wurden". 

Seit Verhängung des Ausnahmezustands im März 2022 wurden insgesamt über 70.000 Menschen verhaftet. Viele Gebiete des Landes, darunter auch historische linke Hochburgen, wurden im Namen des "Kriegs gegen die Banden" vom Militär abgeriegelt, der Campus der staatlichen Universität von El Salvador ist von Militär mit gepanzerten Fahrzeugen besetzt. Führende Persönlichkeiten der zivilgesellschaftlichen Bewegungen, darunter Gewerkschaftsführer:innen und Umweltschützer:innen, Journalist:innen und politische Oppositionsführer:innen werden von der Justiz verfolgt. In ihrem Bericht zur Situation in den Gefängnissen kommt Cristosal zu dem Schluss, dass die Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschheit strafrechtlich verfolgt werden könnte. Die Organisation hat Tausende von willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen Unschuldiger sowie Folter und außergerichtliche Hinrichtungen in den Haftanstalten dokumentiert. 

Rina Montti, Direktorin für Menschenrechtsforschung bei Cristosal, betonte: "Wenn die Wiederwahl fortgesetzt wird, wenn dieses Modell, das uns im Moment regiert, fortgesetzt wird, könnte sich diese Situation schwerer Menschenrechtsverletzungen verschlimmern". Sie erinnerte daran, dass es derzeit vor allem zu Anzeigen aufgrund der durch die Sicherheitskräfte begangenen Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung käme.