Santiago. Die rechten Parteien in Chiles Parlament haben ihre Mehrheit genutzt, um den Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende zu rechtfertigen.
Am 22. August 1973 brachte die rechte Nationalpartei (Partido Nacionalista) eine Resolution im Parlament ein, in der die Regierung Allende in einer Reihe von Fällen des angeblichen Verfassungsbruchs beschuldigt wurde. Auch die Christdemokraten, die bis dahin die Regierung der Unidad Popular "geduldet" hatten, stimmten für die Resolution, die im ersten Abschnitt ausdrücklich das Einschreiten von Militär und Polizei vorsah. Obwohl sie juristisch und verfassungsmäßig haltlos war, wurde die Erklärung nur 20 Tage später als Rechtfertigung für den Militärputsch benutzt.
Eine Mehrheit aus traditioneller Rechten und den ultrarechten Republikanern beantragte nun ‒ knapp drei Wochen vor dem 50. Jahrestag des Putsches ‒ die Verlesung dieser Resolution aus dem Jahre 1973 in der Abgeordnetenkammer und gewann die Abstimmung mit 50 gegen 42 Stimmen. In der Begründung bringen sie ihre "absolute rechtliche und politische Unterstützung" des damaligen Antrags zum Ausdruck und begehen damit einen Akt bisher nicht gekannten Negationismus.
Die ultrarechte Partei der Republikaner wollte außerdem die Ministerien für Bildung und Kultur zum kostenlosen Verteilen des umstrittenen Beschlusses aus dem Jahre 1973 verpflichten, was jedoch abgelehnt wurde. Eine Vorlage der kommunistischen Fraktion, die institutionelle Verurteilung der Regierung Allendes durch das Parlament zu verbieten, wurde ebenfalls abgelehnt.
Die Verlesung des Antrags wurde mit Sprechchören "Gerechtigkeit, Wahrheit, keine Straflosigkeit" aus den Reihen Regierungskoalition unterbrochen. Einige Abgeordnete protestierten mit Bildern von Opfern der Diktatur und wurden deshalb prompt vom Vorsitzenden gerügt und verwarnt.
Die stellvertretende Kammervorsitzende Carmen Hertz von der Kommunistischen Partei kam straflos davon, nachdem sie erklärt hatte, dass das Foto ihres von Militärs ermordeten Ehemanns an ihrem Revers Teil ihrer Bekleidung sei und daher nicht gegen die Parlamentsregeln verstoße.
Außerhalb des Sitzungsaales wurden weitere Entgleisungen rechter Kreise bekannt. So bezeichnete die Abgeordnete Gloria Naveillan die brutalen sexuellen Verbrechen während der Folterungen als "moderne Legende". José Antonio Neme kommentierte im Morgenfernsehen des Kanals "Mega", die Unterzeichner der damaligen Resolution seien doch tot, während die Opfer der derzeitigen Unwetter lebten und Hilfe brauchten.
In Chile gibt es kein Gesetz, das die Leugnung, Rechtfertigung, Verharmlosung oder Verherrlichung (negacionismo) der während der zivil-militärischen Diktatur begangenen Menschenrechtsverbrechen unter Strafe stellt.
Der sozialistische Senator José Miguel Insulza kritisierte die "miserable und provokative Haltung" der Opposition. Präsident Gabriel Boric nahm ausdrücklich Bezug auf die Worte des Senators und rief auf, die Demokratie zu schützen.
Regierungssprecherin Camila Vallejo sprach bei einem Besuch in einer von den Regenfällen betroffenen Regionen, auf die politische Offensive der Opposition im Parlament angesprochen, von "zivilisatorischem Rückschritt" und dass diejenigen, die Staatsstreiche der Vergangenheit verteidigen, sie heute oder morgen wiederholen könnten.