In Kolumbien im Jahr 2023 bereits fast 100 politische Morde

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Die Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo de Colombia) ist keine ferne Bürokratie, sondern mit Mitarbeiter:innen im Land unterwegs
Die Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo de Colombia) ist keine ferne Bürokratie, sondern mit Mitarbeiter:innen im Land unterwegs

Bogotá. Im ersten Halbjahr 2023 hat die kolumbianische Ombudsstelle für Menschenrechte 92 Morde an sozialen Aktivist:innen und Verteidiger:innen der Menschenrechte registriert. Das geht aus ihrem am 21. Juli veröffentlichten Bericht hervor. "Eine Zahl, die die nach wie vor bestehende Gewalt gegen Führungskräfte in den jeweiligen Landesteilen deutlich macht", betonte der Ombudsmann Carlos Camargo Assis.

Die zwischen Januar und Juni am stärksten betroffenen sozialen Bereiche waren Gemeindeaktivist:innen mit 22 Morden, Gemeinschaftsführer:innen mit 20 und indigene Führungspersonen mit 16 Morden. Aus diesen drei Gruppen stammen fast zwei Drittel (63 Prozent) der ermordeten Personen, die vom Frühwarnsystem der Ombudsstelle erfasst wurden.

Die Morde wurden in 26 Departamentos Kolumbiens verübt, so der Ombudsmann weiter. Das Departamento Cauca war mit 17 Fällen am meisten betroffen, gefolgt von Nariño und Antioquia mit je sieben Fällen. In Valle del Cauca wurden sechs, in Bolívar und Cesar jeweils fünf Fälle registriert.

"Es ist eine Schande für den Staat, dass es sich eingependelt, ja normalisiert hat, dass jedes halbe Jahr beinahe 100 Morde an sozialen Führungspersonen und Menschenrechtsaktivist:innen verübt werden und keine ausreichenden Maßnahmen vorgenommen werden, um diejenigen, die für die Rechte Ihrer Gemeinschaft kämpfen, zu schützen", prangerte der Ombudsmann an.

Obwohl die Zahl der Morde im Vergleich zum Vorjahreszeitraum abgenommen hat (von Januar bis Juni 2022 wurden 114 Fälle verzeichnet), warnte die Menschenrechtsstelle vor einer Zunahme der Gewalt gegen die betroffenen Gruppen in den kommenden Monaten. Dies sei besonders in Hinsicht auf die bevorstehenden Kommunalwahlen im Oktober besorgniserregend.

Allerdings liegen die Zahlen der Ombudsstelle höher als bei Nichtregierungsorganisationen. Human Rights Watch (HRW) etwa nannte am 13. Juli 2023 die Zahl von 77 ermordeten Menschenrechtsaktivist:innen zwischen den Monaten Januar und Juni 2023, während das Friedensforschungsinstitut Indepaz 82 meldete.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeigte sich seinerseits am 20. Juli besorgt über die anhaltende Gewalt gegen ehemalige Anführer:innen und Kämpfer:innen der Farc-Guerilla, sowie auch über die Auswirkung der Gewalt bewaffneter Gruppen auf Kinder und Jugendliche.

Der Sicherheitsrat forderte daher von der kolumbianischen Regierung, Maßnahmen zu ergreifen: "Es ist notwendig, eine umfassende staatliche Präsenz in den vom Konflikt betroffenen Gebieten zu erhöhen." Er zeigte sich auch besorgt über Fälle von Gewalt und Missbrauch gegenüber Minderjährigen, einschließlich der Rekrutierung von Jugendlichen in bewaffneten Konflikten.

Zudem wurde die Regierung aufgefordert, die geordnete Durchführung der Wahlen im Oktober zu garantieren. Die Regierung solle mit allen notwendigen Mitteln eine gleichberechtigte und sichere Teilnahme an den Wahlen sicherstellen, einschließlich für die Ex-Kämpfer:innen, als wichtiger Baustein ihrer Wiedereingliederung in das zivile Leben.

Trotz der von Mitgliedern des Weltsicherheitsrats ausgedrückten Besorgnis fand die UN-Beobachtermission in Kolumbien auch lobende Worte. In einer Erklärung würdigte sie "die Fortschritte im Bereich der Landreform in Bezug auf Kauf und Vergabe von Ländereien". Sie ermutigte die Regierung, die vorgesehenen Ländereien ihren zukünftigen Besitzer:innen, einschließlich Opfern von Vertreibungen und Bäuerinnen, so schnell wie möglich zu übergeben.