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Gewalt in der Karibik mit Waffen "Made in USA"

Bei mehr als der Hälfte aller Tötungsdelikte kommen Schusswaffen zum Einsatz, in einigen Ländern sind es 90 Prozent. Caricom fordert von den USA konkrete Maßnahmen gegen Waffenschmuggel

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Der illegale Waffenhandel aus den USA trägt zur steigenden Kriminalitätsrate in der Karibik bei
Der illegale Waffenhandel aus den USA trägt zur steigenden Kriminalitätsrate in der Karibik bei

Genf. Die steigende Kriminalitätsrate in der Karibik scheint sich unvermindert fortzusetzen. Wiederholt haben Regierungen der Region angeprangert, dass dies auch auf den illegalen Waffenhandel aus den USA zurückzuführen sei.

Laut einem aktuellen Bericht des in Genf ansässigen Forschungsprojekts Small Arms Survey und der Agentur der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) für Kriminalität und Sicherheit trägt dieser dazu bei, dass die Länder der Karibik dreimal mehr gewaltsame Todesfälle zu beklagen haben als der weltweite Durchschnitt, obwohl sie strenge Vorschriften für den Besitz und die Herstellung von Waffen eingeführt haben.

"Bei mehr als der Hälfte aller Tötungsdelikte kommen Schusswaffen zum Einsatz, wobei dieser Anteil in einigen Ländern 90 Prozent erreicht. Während der Kontrolle von Schusswaffen sowohl auf politischer als auch auf operativer Ebene große Bedeutung beigemessen wird, hat sich die Forschung bisher nur wenig mit illegalen Schusswaffen und der Dynamik der illegalen Waffenmärkte in dieser Region befasst", heißt es in dem Bericht.

Daten und Informationen aus insgesamt 22 karibischen Staaten wurden demnach erhoben. In die Studie flossen auch die Ergebnisse von Feldforschungen regionaler Partner ein, wie Befragungen von Gefängnisinsassen, die wegen Schusswaffengebrauchs verurteilt wurden, sowie Untersuchungen in Krankenhäusern zu Schussverletzungen.

Die hohen Raten von Waffengewalt werden laut der Studie durch Lieferungen angeheizt, die hauptsächlich aus den USA über Reedereien, kommerzielle Fluggesellschaften und die Post erfolgen.

Demnach benutzten mehr als die Hälfte der 29 in Gerichtsverfahren untersuchten Schmugglernetzwerke für ihren Waffen- und Munitionstransport Schifffahrtsunternehmen ‒ meist mit Sitz im US-Bundesstaat Florida, fast jedes fünfte kommerzielle Airlines mit Hilfe von korruptem Flughafenpersonal. Bei einem von zehn Netzwerken wurde die Nutzung von Postdiensten aufgedeckt.

Die meisten der beschlagnahmten und zurückverfolgten Waffen wurden von Glock, Beretta, Smith & Wesson und Taurus hergestellt.

In dem Bericht heißt es: "Es besteht kein Zweifel daran, dass die USA eine wichtige Quelle für Schusswaffen in der Karibik sind und wahrscheinlich die größte in einigen Staaten und Territorien".

Besonders alarmierend sei diesbezüglich die Situation in Haiti, wo bewaffnete Banden den größten Teil des Landes kontrollieren und es häufig zu Schießereien kommt. Die Studie verweist auf eine Zunahme der Beschlagnahmungen von halbautomatischen und großkalibrigen Gewehren.

In Haiti lag die Zahl der Schusswaffen in den Händen von Zivilisten im vergangenen Jahr Schätzungen zufolge bei 600.000, verglichen mit 270.000 im Jahr 2019.

Ein Bericht der Vereinten Nationen bestätigte diese Tendenz und zeigte auf, dass Waffen, die in staatlich zugelassenen Waffengeschäften oder auf privaten Messen in den USA für 400 oder 500 US-Dollar verkauft werden, in Haiti für bis zu 10.000 Dollar weiterverkauft werden können.

"Gewehre wie die AK47, AR15 und Galil sind am meisten gefragt, was sich in höheren Preisen niederschlägt", heißt es in dem Dokument.

Laut der Untersuchung werden immer ausgefeiltere Waffen, die für Haiti bestimmt sind, beschlagnahmt, "darunter Scharfschützengewehre, Gewehre vom Kaliber 308 und sogar Maschinengewehre mit Gurtzuführung".

Diese tödlichen Werkzeuge werden in US-Bundesstaaten mit laxen Waffengesetzen und weniger Kaufbeschränkungen erworben und dann nach Florida gebracht, wo sie zwischen Konsumgütern, elektronischen Geräten, Kleidung, Tiefkühlkost und im Schiffskörper von Handelsschiffen versteckt werden, so der Bericht weiter. Nach der Ankunft in Haiti werde die Ware ausgeladen und direkt an die Banden geliefert.

Nach Angaben der Vereinten Nationen stieg die Zahl der Tötungsdelikte in dem Karibikstaat von 1.615 im Jahr 2021 auf 2.183 im Jahr 2022 und die der Entführungen von 664 auf 1.359 im gleichen Zeitraum.

Bei der 45. Tagung der Caricom Anfang Juli in Trinidad und Tobago prangerten die Staats- und Regierungschefs den zunehmenden Waffenschmuggel in der Region an. Sie forderten die USA auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Lieferung von Waffen und Munition in die karibischen Länder einzudämmen.

Die USA könnten und sollten noch einiges mehr tun, um den Zustrom von tödlichen Waffen zu stoppen, mahnte der Premierminister von Dominica, Roosevelt Skerrit, an.

Dies forderte zuvor auch der Premierminister der Bahamas, Phillip Davis, auf einem Caricom-Gipfel zum Thema Kriminalität im April. Er erklärte, dass der Prozentsatz der beschlagnahmten Waffen, die auf die USA zurückgeführt werden können, in Haiti, der Dominikanischen Republik und Jamaika 87, 73 bzw. 67 Prozent beträgt.

Die Regierung von St. Vincent und den Grenadinen forderte Washington ebenfalls auf, mehr zu tun, um den leichten Zugang zu diesen Waffen und ihre problemlose Ausfuhr nach Lateinamerika und in die Karibik zu unterbinden. Sie führte die hohe Mordrate in einigen Ländern der Region auf die Verbreitung von in den USA hergestellten Waffen und die Gewalt im Zusammenhang mit dem illegalen Drogenhandel zurück.

Der Premierminister von Grenada, Dickon Mitchell, erklärte, dass der leichte Zugang zu Schusswaffen eine der größten Bedrohungen sei, denen die Region derzeit ausgesetzt sei. Die zunehmenden kriminellen Handlungen, bei denen Schusswaffen zum Einsatz kommen, hätten weitreichende und negative Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft, sagte er. "Unsere Inseln sind ständig von der Einfuhr kleinkalibriger Schusswaffen bedroht. Sie kommen in Fässern und in Containern", so Mitchell.

Premierminister Davis, der Anfang des Jahres mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris zusammenkam, um über die Notwendigkeit einer Verringerung der Waffenlieferungen aus den USA zu sprechen, vertrat die gleiche Linie.

Einige karibische Politiker haben in Anbetracht dessen zugesagt, die von Mexiko geführten Gerichtsverfahren gegen US-Waffenhersteller, denen vorgeworfen wird, ihre Produkte fahrlässig an Kriminelle zu verkaufen, zu unterstützen.

Die mexikanische Regierung reichte im vergangenen Oktober erneut eine Klage gegen Waffenunternehmen aus den USA ein. Diese richtet sich speziell gegen fünf Firmen mit Sitz in Tucson, Arizona. Laut der Regierung haben sie in den vergangenen Jahren Waffen verkauft, die mit "sehr schweren Verbrechen" in Mexiko in Verbindung gebracht werden (amerika21 berichtete).

Mexiko wird zudem von den Waffenherstellern 15 Milliarden US-Dollar als Entschädigung für Schäden fordern, die durch "fahrlässige Geschäftspraktiken" entstanden sind, die kriminellen Gruppen den Zugang zu Waffen ermöglichen und die mexikanische Gesellschaft beeinträchtigen.