Brasilien / Politik

Oberstes Wahlgericht in Brasilien erklärt Ex-Präsident Bolsonaro für unwählbar

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Eine Mehrheit von 5:2 der Richter:innen des TSE stimmte gegen Bolsonaro
Eine Mehrheit von 5:2 der Richter:innen des TSE stimmte gegen Bolsonaro

Brasília. Gegen Brasiliens früheren Präsidenten Jair Bolsonaro ist vom Obersten Wahlgericht (Tribunal Superior Eleitoral, TSE) ein bis Mitte 2030 geltendes Verbot zur Ausübung politischer Wahlämter verhängt worden.

Eine Mehrheit von 5:2 der Richter:innen des TSE befand ihn am Freitag für schuldig, als Präsident wiederholt "Amts- und Machtmissbrauch" begangen und "unerlaubt Medien benutzt" zu haben.

Sollte das Urteil Bestand haben, wird der 68-Jährige erst zu den Wahlen im Oktober 2030 wieder antreten können.

Auslöser für den Prozess war ein von Bolsonaro am 18. Juli 2022 veranstaltetes Treffen mit einer Reihe von ausländischen Botschaftern. Dabei bezeichnete er das brasilianische Wahlsystem und die elektronischen Urnen als unzuverlässig und die Richter:innen des TSE als befangen. Seine im Präsidentenpalast getätigten Aussagen wurden über den Regierungssender TV Brasil und über die sozialen Netzwerke des Präsidenten verbreitet.

Diese Vorfälle nahm die Führung der Mitte-Links Partei PDT (Partido Democrático Trabalhista) zum Anlass, das Verfahren gegen Bolsonaro, der bis heute das Wahlergebnis von Oktober 2022 öffentlich nicht anerkannt hat, anzustrengen.

Im Detail muten Bolsonaros Aussagen befremdlich an in einem Land, in dem die Wahlen seit 1996 weitgehend problemlos mit elektronischen Urnen stattfinden.

Er forderte wiederholt die Einführung von papiernen Wahlzetteln, unterstellte latenten Wahlbetrug und warf dem TSE vor, nicht zur Aufklärung von Hacker-Angriffen beizutragen.

Laut Bolsonaro könnten die elektronischen Urnen der Kontrolle durch internationale Expert:innen nicht standhalten. Ebenso behauptete er, dass die Stimmenauszählung an eine Firma outgesourct werde, weswegen er eine Zählung durch das Militär verlangte. Schließlich nannte er den damaligen TSE-Richter Edson Fachin den "Anwalt der Landlosenbewegung" MST, weil dieser im Jahre 2008 ein Unterstützungsmanifest für sie unterschrieb.

Die Verlesung des Votums der sieben TSE-Richer:innen begann am Mittwoch mit dem Berichterstatter Benedito Goncalves. Er forderte das nun verhängte Strafmaß und betonte: "Man kann nicht die Augen verschließen vor den anti-demokratischen Auswirkungen von Bolsonaros gewalttätigen Diskursen und Lügen, die unser Wahlsystem und die Glaubwürdigkeit unserer Wahlgerichtsbarkeit erschüttern."

Die Richterin Carmen Lucia, deren Votum am Freitag die 4. Stimme und die Mehrheit für das geforderte Strafmaß bedeutete, sah in Bolsonaros Aussagen eine "außerordentlich schwerwiegende und vorsätzliche Disqualifizierung der Judikative und einzelner Richter:innen, die sich auf schon widerlegte Fakten stützte". Es sei einem Staatsdiener nicht erlaubt, "unter Ausnutzung der staatlichen Kanäle unbegründete Anschuldigungen gegen Richter vorzunehmen und damit die gesamte Institution zu schädigen".

Bolsonaros Verteidigung berief sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, das seine Aussagen zum brasilianischen Wahlsystem decke. Dem widersprach der Präsident des TSE, Richter Alexandre de Morães, der auch dem vom Berichterstatter vorgeschlagenen Strafmaß folgte. Er betonte: "Freie Meinungsäußerung bedeutet nicht freie Aggression gegen die Säulen der Demokratie." Zusammenfassend bezeichnete er das Urteil des TSE als "Antwort auf einen Populismus, der aus den Flammen von Hass und anti-demokratischen Diskursen geboren ist".

Nach der Urteilsverkündung kritisierte Bolsonaro, gegen den zur Zeit noch andere Ermittlungsverfahren laufen, das TSE scharf. Nun hätten Lula und die Linke bei der nächsten Wahl ein leichtes Spiel und könnten ohne Gegner gewinnen. "Man hat mir ein Messer in den Rücken gerammt, aber ich bin nicht tot", sagte er.

Seine Verteidigung hat angekündigt, gegen das Urteil Einspruch beim Obersten Bundesgericht einzulegen.