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Putschversuch in Brasilien: Weitere Ermittlungen und Anklagen gegen Beteiligte

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Senatorin Gama legte der Parlamentarischen Untersuchungskommission den neuen Arbeitsplan vor
Senatorin Gama legte der Parlamentarischen Untersuchungskommission den neuen Arbeitsplan vor

Brasília. Der brasilianische Oberste Gerichtshof (STF) hat über die Anklage von 70 weiteren Personen entschieden, die am Putschversuch am 8. Januar beteiligt waren. Sieben der zehn STF-Richter:innen stimmten dafür. Die Angeklagten werden aufgrund verschiedener Delikte strafrechtlich verfolgt, darunter die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit.

Von den 1.390 namentlich bekannten teilnehmenden Anhänger:innen von Ex-Präsident Jair Bolsonaro wurden 1.175 bereits angeklagt. Unter ihnen ist auch der damalige Sicherheitschef des Hauptstadtdistriktes Brasília und Ex-Justizminister von Bolsonaro, Anderson Torres, dem die Reduzierung von Polizeipräsenz in öffentlichen Gebäuden der brasilianischen Hauptstadt und die Freigabe dieser Gebiete für die gewaltsam Protestierenden vorgeworfen wird.

Parallel zu den Gerichtsverfahren des STF untersucht die Gemeinsame Parlamentarische Untersuchungskommission (CPMI) den versuchten Putsch – darunter auch Torres' Rolle. Hierbei sollen neben dem Vorwurf der Fahrlässigkeit auch seine Beziehung zum damaligen Direktor der Bundesstraßenpolizei, Silvinei Vasques, überprüft werden.

Zum einen lautet der Vorwurf, Vasques habe Polizeirazzien organisiert, um die Wahlbeteiligung der Unterstützer:innen von Luiz Inácio Lula da Silva während der zweiten Wahlrunde zu verhindern. Torres Beteiligung daran soll untersucht werden. Zum anderen soll festgestellt werden, inwieweit beide in die Straßenblockaden involviert waren, die nach der Wahlniederlage Bolsonaros von seinen Anhänger:innen auf Autobahnen landesweit organisiert wurden.

Der neue Arbeitsplan der CPMI, der von Senatorin Eliziane Gama vorgelegt wurde, beinhaltet ebenso die Ermittlungen über das Eindringen in die Gebäude der drei Staatsgewalten im Regierungsviertel, die Untersuchung der Ursachen und Verantwortlichen für den "Blackout" bei den Eindämmungsmaßnahmen sowie die Identifizierung von Finanziers, die eine Verbindung zur Soja-Agrarindustrie im Süden und Mittelwesten von Brasilien haben sollen.

In einem Zeitraum von 180 Tagen will die Untersuchungskommission auch den Indizien und Fakten im Vorlauf des Putschversuches nachgehen. "Der Tag der Ausschreitungen begann nicht um Mitternacht am 8. Januar 2023, sondern viel früher, in einer Abfolge von Ereignissen, die, gelinde gesagt, die Wut anheizten", so Gama.

Sowohl der 12. Dezember ‒ Tag der Amtseinführung von Lula ‒ an dem sich rund um das Hauptquartier der Bundespolizei in Brasília "ein Szenario der Barbarei abspielte", als auch der 24. Dezember 2022 werden in die Untersuchung einbezogen. Durch die versuchte Sprengung eines Tankwagens am Flughafen von Brasília sollte Chaos provoziert und somit ein Eingreifen des Militärs ermöglicht werden.

Im Rahmen der Ermittlungen müssen auch Bolsonaros Leiter des Exekutivkabinetts für institutionelle Sicherheit (GSI) und nun pensionierte General Augusto Heleno, ebenso wie sein Nachfolger Gonçalves Dias und Bolsonaros früherer Stabschef, General a.D. Walter Braga Netto eine Aussage machen.

Dias war bis zu seiner Entlassung im April Sicherheitschef von Präsident Lula. Seine genaue Rolle beim Putschversuch wird derzeit untersucht. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie er Demonstrierende am 8. Januar freundschaftlich durch den Präsidentenpalast begleitet.

Auch der Justiz- und Sicherheitsminister der aktuellen Regierung, Flávio Dino, wurde zu einer Stellungnahme zu den Ereignissen aufgefordert.