Kuba / Politik

Kubas Präsident Díaz-Canel für zweite Amtszeit gewählt

Díaz-Canel kündigt schnellere Umsetzung von Reformen an: "Jungen Menschen beweisen, dass sie sich in ihrer Heimat verwirklichen können". Wirtschaft und Lebensmittelproduktion als Schwerpunkte

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Díaz-Canel nach seiner Wiederwahl: "Die Revolution ist das Mittel, um ein Höchstmaß an Gerechtigkeit und Glück für alle zu erreichen"
Díaz-Canel nach seiner Wiederwahl: "Die Revolution ist das Mittel, um ein Höchstmaß an Gerechtigkeit und Glück für alle zu erreichen"

Havanna. Präsident Miguel Díaz-Canel ist von den Abgeordneten der kubanischen Nationalversammlung für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Die Eröffnungssitzung des Ende März neu gewählten Parlaments (amerika21 berichtete) fand inmitten der schwersten Wirtschafts- und Energiekrise seit der "Sonderperiode" der 1990er Jahre statt.

Der studierte Elektronikingenieur erhielt für seine Bestätigung im Amt 97,3 Prozent der Stimmen. Bis auf 12 sind alle der 470 Abgeordneten des kubanischen Parlaments Mitglieder der Kommunistischen Partei, der Díaz-Canel seit April 2021 als Generalsekretär vorsteht. 

In seiner Rede dankte Díaz-Canel den Abgeordneten für ihre Unterstützung und kündigte eine schnellere Umsetzung von Reformen an. Er bekräftigte seine Loyalität gegenüber dem 1959 begonnenen revolutionären Prozess in Kuba. Unter den Anwesenden war auch Raúl Castro, der seinem Nachfolger zu dessen Wiederwahl gratulierte und die Unterstützung der "historischen Generation" zum Ausdruck brachte. Gemäß der neuen Verfassung von 2019 ist dies die letzte Amtszeit Díaz-Canels.

"Wir müssen diese gigantische Herausforderung ohne Entmutigung annehmen", erklärte Díaz-Canel vor den Delegierten. Das Hauptaugenmerk seiner Regierung werde sich in kommender Zeit auf die Produktion von Lebensmitteln richten. Als weitere Prioritäten auf wirtschaftlichem Gebiet nannte der Präsident "die Nutzung brachliegender Kapazitäten, die Erhöhung der Deviseneinnahmen, die Reform der Staatsunternehmen, effizientere Investitionen, die Verknüpfung aller Wirtschaftsakteure und die Beteiligung ausländischer Investitionen". All dies diene dazu, das Angebot an Gütern und Dienstleistungen zu erhöhen und die dreistellige Inflation "unter Kontrolle zu bringen", so Díaz-Canel.

Der Präsident forderte eine Beschleunigung des Reformprozesses. "Wir müssen unsere jungen Menschen überzeugen, aber vor allem beweisen, dass sie sich in ihrer Heimat verwirklichen können", äußerte Díaz-Canel in Bezug auf die anhaltende Ausreisewelle.

Díaz-Canels erste Amtszeit war von zahlreichen Krisen geprägt: Bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt im Mai 2018 forderte ein schweres Flugzeugunglück 112 Todesopfer. Im Herbst 2019 brach eine erste Energiekrise in Folge verschärfter US-Sanktionen über das Land herein, die nahtlos in die mittlerweile drei Jahre andauernde Wirtschaftskrise in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und dem Einbruch des Tourismus überging. 2021 ereigneten sich die größten regierungskritischen Proteste seit 1994. Vergangenes Jahr setzten eine Gasexplosion in einem Hotel in Havanna, der Brand eines Treibstofflagers in Matanzas und ein schwerer Hurrikan der Inselwirtschaft weiter zu. Treibstoffmangel und unzureichende Wartung brachten das Energiesystem mehrmals an den Rand des Kollapses. Zu den Erfolgen gehört die Entwicklung eigener Impfstoffe gegen Covid-19, mit denen Kuba den Kampf gegen die Pandemie gewinnen konnte.

"Kein einziger Tag in diesen Jahren hat uns die Schläge dieses unerklärten Krieges gegen unsere Wirtschaft und Gesellschaft, gegen das tägliche Leben und die Fortschrittsträume einer ganzen Nation erspart", erklärte der Präsident in Hinsicht auf die seit 63 Jahren andauernde Wirtschaftsblockade der USA. Kuba sei weiterhin zu einem Dialog auf Augenhöhe "ohne Druck und Konditionierungen" bereit, sagte er an Washington gerichtet. Gleichzeitig rief er die Abgeordneten zum Kampf gegen "Bürokratie, Gleichgültigkeit und Korruption" auf. "Wir müssen die Blockade überwinden, ohne zu warten, bis sie aufgehoben wird!", so Díaz-Canel.

Neben dem Präsidenten wurde auf der Sitzung am Mittwoch auch ein neuer Staats- und Ministerrat gewählt. Premierminister Manuel Marrero wurde auf Vorschlag Díaz-Canels für eine zweite Amtszeit ernannt. Auch Vizepräsident Salvador Valdés Mesa und Parlamentspräsident Esteban Lazo bleiben im Amt. Damit gab es in den Spitzenämtern keine Veränderungen.

Knapp die Hälfte der Posten des auf 21 Sitze verkleinerten Staatsrats wurden neu besetzt. Die Revolutionsveteranen Guillermo García und Leopoldo Cintra Frías schieden aus dem Gremium aus. Neu aufgenommen wurden unter anderem der Ökonom Iván Santos Prieta und die Leiterin des Krankenhauses "Faustino Pérez" in Matanzas. Das Durchschnittsalter des neuen Staatsrats liegt bei 47 Jahren.

Im Ministerrat fielen die Neubesetzungen geringer aus. 20 der 26 Fachminister wurden im Amt bestätigt. Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca musste seinen Posten nach 14 Jahren räumen. Sein Ministerium stand wegen der langsamen Fortschritte beim Bürokratieabbau zuletzt vermehrt in der Kritik. Finanzministerin Meisi Bolaños wurde durch ihren bisherigen Stellvertreter Vladimir Regueiro abgelöst. Die Kabinettsumbildung erfasste auch die Ministerien für Bildung und Hochschulbildung sowie das Institut für Raumordnung.

Als einziger ausländischer Gast richtete sich Vietnams Parlamentspräsident Dinh Hue an die Abgeordneten. Er hob die Unterstützung hervor, die Kuba seinem Land in Zeiten des Krieges gewährt habe und betonte, dass Vietnam derzeit der "wichtigste asiatische Investor" in Kuba sei. Hue kündigte eine Spende von 5.000 Tonnen Reis und 300 Tablets für die Abgeordneten der Nationalversammlung an. Russlands Außenminister Sergei Lawrow war unmittelbar vor der Sitzung ebenfalls auf die Insel gereist und traf sich mit Díaz-Canel und Castro zu Energiegesprächen. Chinas Präsident Xi Jinping beglückwünschte Díaz-Canel zur Wiederwahl und rief am Freitag zur Gründung einer "kubanisch-chinesischen Gemeinschaft mit gemeinsamer Zukunft" auf.

Díaz-Canel wurde am 20. April 1960 in Placetas (Provinz Santa Clara) geboren. Sein Vater arbeitete für eine Brauerei, während seine Mutter als Grundschullehrerin tätig war. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium als Elektronikingenieur an der Universität von Santa Clara ab und diente bis 1985 bei den Streitkräften. Im April des selben Jahres begann er als Dozent an seiner ehemaligen Hochschule zu arbeiten, nebenbei war er hauptamtlich als Funktionär für den kommunistischen Jugendverband UJC tätig. Er arbeitete in den Rängen der kommunistischen Partei in mehreren Führungsämtern auf Provinzebene. In seiner Heimatstadt Santa Clara hielt er in den 1990er Jahren die Hand über den ersten dezidiert schwulen Nachtklub Kubas. Nach seinem Aufstieg als jüngstes Mitglied des Politbüros im Jahr 2003 fungierte er zwischen 2009 und 2012 als Hochschulminister. Während seiner Zeit als Vizepräsident des Staatsrats ab 2013 setzte er vor allem bei den Themen Digitalisierung und Erneuerung der Medien Akzente. Am 19. April 2018 wurde er zum Nachfolger Raúl Castros gewählt.