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Nach Gerichtsurteil: Einsatz des Militärs für innere Sicherheit in Mexiko bleibt umstritten

Regierung verweist auf Erfolg ihrer Sicherheitsstrategie. Kritiker:innen fordern mehr Mittel für Gewaltprävention und Stärkung ziviler Institutionen

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Soldaten bei der zvili-militärischen Parade zum Jahrestag der Revolution. Ihr Einsatz zur Bekämpfung der Kriminalität stößt auf massive Kritik, aber auch auf Zustimmung in der Bevölkerung
Soldaten bei der zvili-militärischen Parade zum Jahrestag der Revolution. Ihr Einsatz zur Bekämpfung der Kriminalität stößt auf massive Kritik, aber auch auf Zustimmung in der Bevölkerung

Mexiko-Stadt. Der mexikanische oberste Gerichtshof (SCJN) hat das Gesetz über den Einsatz des Militärs für Aufgaben der inneren Sicherheit für verfassungskonform erklärt. Der Einsatz von Armee und Marine soll bis 2028 erfolgen, bis die im Jahr 2019 gegründete Nationalgarde fertig ausgebildet und organisiert ist.

Das Gesetz und die Bestätigung durch den SCJN hat heftige Kritik ausgelöst. Nationale wie internationale Kritiker:innen, darunter das Büro des UN-Menschenrechtskommissariats in Mexiko, verweisen darauf, dass das Militär nur in Ausnahmefällen und als letztes Mittel im Innern eingesetzt werden darf und befürchten eine zunehmende Militarisierung des Landes. Politiker:innen der Opposition hatten in diesem Sinne eine Klage beim SCJN eingelegt, sind durch das aktuelle Urteil damit jedoch gescheitert.

Soldaten werden bereits seit 2006 im Rahmen des damals ausgerufenen "Krieg gegen die Drogen" innerhalb des Landes eingesetzt. Kritiker:innen befürchten, dass der erweiterte und institutionalisierte Einsatz der Streitkräfte für die innere Sicherheit zu einer Zunahme von Menschenrechtsverletzungen führen könnte. Dem Militär und auch der Nationalgarde, die sich größtenteils aus ehemaligen Soldat:innen rekrutiert und vom Verteidigungsministerium ausgerüstet wird, werden unter anderem willkürliche Festnahmen, Beweisfälschungen, Folter und Exekutionen vorgeworfen.

Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) hat indes bei der zivil-militärischen Parade zum 112. Jahrestag der Mexikanischen Revolution im November die Bedeutung der Streitkräfte betont und versichert, dass es "in dieser militärischen Institution mehr Gutes gibt als Fehler oder Makel". Amlo zufolge sind viele der Punkte, die den Streitkräften angelastet werden, eigentlich die Schuld der Regierungen, die das Militär zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt hätten.

In der Tat genießt das Militär bei vielen Mexikaner:innen ein wesentlich höheres Ansehen als die verschiedenen Polizeibehörden, denen oftmals Korruption und Verstrickung mit Drogenkartellen vorgeworfen werden. So vertrauen einer Umfrage im Bundesstaat Guanajuato zufolge über 45 Prozent der Menschen der Marine und 43 Prozent der Armee, während es im Falle der verschiedenen Polizeieinheiten jeweils nur rund zehn Prozent sind.

Gleichzeitig fühlen sich viele Bürger:innen in ihrem Land nicht sicher. Eine nationale Erhebung über die öffentliche Sicherheit in den Städten aus dem dritten Quartal 2022 zeigt, dass mehr als 64 Prozent der Menschen das Leben in ihrer jeweiligen Stadt als unsicher empfinden. Dies gilt besonders für Frauen mit 71 Prozent, verglichen mit etwa 57 Prozent bei Männern. Darunter leidet auch die psychische Gesundheit der Bevölkerung.

Unsicherheit und Gewalt sind außerdem ein wesentlicher Kostenfaktor. Der Nationalen Güterverkehrskammer zufolge haben die Überfälle und falschen Kontrollpunkte auf den Autobahnen die Betriebskosten der Unternehmen um bis zu 15 Prozent steigen lassen.

Da die bisherigen Strukturen offenbar nicht ausreichen, um die Sicherheit zu garantieren, reagiert die Regierung López Obrador mit einer stärkeren Einbeziehung des Militärs in die Sicherheitsarchitektur des Landes. Laut der Sekretärin für Sicherheit und Bürgerschutz, Rosa Ícela Rodríguez, hat die Regierung mit ihrer nationalen Sicherheitsstrategie auch bereits Erfolge erzielt. Dies zeige sich auch in der geringeren Anzahl von Straftaten in der Amtszeit Amlos. Rodríguez sagte, dass in diesem Zeitraum Raubüberfälle um 27 und Eigentumsdelikte um 66 Prozent zurückgegangen seien.

Dennoch wird Amlos Strategie kritisiert und werden andere Ansätze zur Lösung der Gewalt im Land gefordert, auch von akademischer Seite. Dr. Luis Arriaga Valenzuela, Rektor der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt verlangt mehr Investitionen in die Gewaltprävention, während sein Kollege Mario Patrón Sánchez von der Universidad Ibero Puebla eine nachhaltige Stärkung der zivilen Institutionen, sowie der Einrichtungen, die sich um Opfer der Gewalt kümmern, für den richtigen Ansatz hält.

Unbeeindruckt davon stärkt Amlo die Position der Streitkräfte noch auf einer weiteren Ebene. Der Präsident hat dem Unternehmen Olmeca-Maya-Mexica, das dem Verteidigungsministerium untersteht, die Kontrolle über das Eisenbahngroßprojekt 'Tren Maya' auf Yucatán übertragen, genauso wie den Betrieb der neugegründeten staatlichen Fluggesellschaft Mexicana und den Flughafen Felipe Ángeles in Mexiko-Stadt. Bald sollen noch Flughäfen in Chetumal, Palenque und Campeche dazukommen, während die Marine den Flughafen von Ciudad del Carmen übernehmen wird.