Bundesregierung ignoriert Schaden durch importierte Steinkohle aus Kolumbien

Ampel unkritisch zu Schweizer Konzern in Kolumbien. Kohleimport in Debatte über Rolle Deutschlands im Friedensprozess. Ukraine-Krieg im Hintergrund

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Trockenes Flussbett des Arroyo Bruno im Süden des Departements La Guajira
Trockenes Flussbett des Arroyo Bruno im Süden des Departements La Guajira

Berlin/Bogotá. Die Bundesregierung sieht keine aktuellen Probleme in der Erhöhung des Steinkohleimports aus Kolumbien. Dies geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Linke hervor.

Die kolumbianische Diaspora in Deutschland hatte im April die von Präsident Iván Duque angekündigte Zunahme der deutschen Nachfrage nach kolumbianischer Kohle vehement abgelehnt. Grund waren die "zahlreichen Menschenrechts- und Umweltverletzungen" in Kolumbien durch "die größten Kohleexporteure".

In ihrem Antwortdokument auf die Kleine Anfrage versichert die Ampelkoalition hingegen, dass "eine Verbesserung der Menschenrechtslage" in Kohleregionen wie La Guajira zu beobachten sei und dass der Bergwerksbetreiber Cerrejón, der zum Schweizer Konzern Glencore gehört, "zunehmend Maßnahmen zur Wiedergutmachung und Verbesserung der Lebensqualität der örtlichen Bevölkerung" getroffen habe.

Laut Angaben der Regierung hat sich der Kohleimport aus Kolumbien von Februar auf März verdreifacht. Sie streitet aber ab, die Zunahme der Rohstoffeinfuhr selbst entschieden zu haben. Dies "obliegt den Kraftwerksbetreibern", so die Antwort auf die Frage 12 der Kleinen Anfrage.

Das widerspricht allerdings einer Mitteilung von Präsident Duque. Er kündigte im April nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Vorhaben an, mehr Kohle nach Deutschland zu exportieren. Damit wolle sein Land zur Linderung des Energienotstands Deutschlands angesichts der "Drohungen Russlands in Bezug auf die Energielieferungen nach Europa" beitragen.

Am selben Tag erteilte das Umweltministerium Cerrejón grünes Licht für die Ausweitung der Kohleförderung im Flussbett des Arroyo Bruno in La Guajira.

Das Projekt war wegen eines Urteils des Verfassungsgerichts vom Jahr 2017 gestoppt worden. Das Tribunal sah in der Umleitung des Baches, die bereits geschehen war, eine Bedrohung der Grundrechte auf Wasser, Ernährungssicherheit und Gesundheit der dortigen Gemeinden. Das Gericht ordnete außerdem die Rückführung des Flusses in seinen natürlichen Lauf an, zumindest bis die Behörden und Cerrejón eine Reihe von Zweifeln über Umweltrisiken des geplanten Bergbaus dort ausgeräumt haben.

Der Bach wurde aber nicht zurückgeleitet. Stattdessen hat Cerrejón den kolumbianischen Staat 2021 wegen wirtschaftlichem Schaden durch das Urteil des Verfassungsgerichts vor einem Schiedsgericht der Weltbank verklagt. Die Kohleförderung am Arroyo Bruno blieb bis zum Telefonat zwischen Duque und Scholz ausgesetzt.

Am selben Tag der Mitteilung von Duque über das Gespräch mit seinem deutschen Amtskollegen informierte das Umweltministerium, dass die Studie, die das Verfassungsgericht zur Klärung der Zweifel über Umweltrisiken forderte, fertig sei. Die gesammelten Daten würden zeigen, dass der Bach nicht zurückgeleitet werden muss. Dies würde die Fortführung der gestoppten Ausweitung der Kohleförderung ermöglichen, klagte die Menschenrechtsorganisation Cajar.

Die Bundesregierung sagt jedoch in der Antwort auf die Frage 14 der Kleinen Anfrage, es sei "keine Ausweitung des Abbaugebietes geplant, um eine mögliche zusätzliche Nachfrage deutscher Firmen zu bedienen."

Diese Aussage knüpft an die nicht bindende Globalgerechtigkeitsklausel des neuen Bundestagsbeschlusses zur Erzeugung von Strom aus Kohle und Öl an, wenn Gas knapp wird. Dort heißt es, dass es für den Abbau der nach Deutschland importierten Steinkohle "nicht zum Effekt" kommen soll, "dass Steinkohletagebaue ‒ z.B. in den kolumbianischen Regionen Cesar und La Guajira ‒ erweitert oder neu erschlossen werden."

Es bleibt offen, was diese Klausel für Fälle wie den Arroyo Bruno bedeutet, wenn die Bundesregierung dessen fortbestehende Umleitung als unproblematisch sieht und keine Verbindung zur weiteren Erhöhung der Kohleimporte aus Kolumbien erkennt.

Auch bei der Debatte des Bundestags über den Antrag der Ampelkoalition zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien war der Kohleimport aus dem südamerikanischen Land ein Thema. "Menschenrechte dürfen kein Entweder-oder sein, nicht entweder kalte Wohnungen bei uns oder Umweltzerstörung in Kolumbien. Es ist unsere Verantwortung, unser politisches Handeln, überall Menschenrechte und Umweltrechte zu achten", sagte die grüne Abgeordnete Deborah Düring.

Der Vertreter der grünen Fraktion Max Lucks seinerseits bat wie Düring alle Fraktionen, dem Antrag zuzustimmen. Dabei äußerte er: "Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin als Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet nicht bereit, zu akzeptieren, dass wir Steinkohle aus Kolumbien importieren unter Bedingungen, die nichts mit dem zu tun haben, wofür die Menschen im Ruhrgebiet, im Saarland und in anderen Steinkohlerevieren Deutschlands über Jahrhunderte gekämpft haben". Dazwischen wurde aus der CDU-Fraktion gerufen: "Das macht eure Regierung aber gerade!"

Der Beschluss der Ampelkoalition regt die Bundesregierung an, sich für die Einhaltung von "Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards" sowie den "Mitbestimmungsrechten der betroffenen Bevölkerung" in den kolumbianischen Kohleregionen einzusetzen.

Von einem Stopp der Importsteigerung von "Blutkohle", wie beispielsweise die kolumbianische Diaspora-Organisation "Unidos por la paz" (Vereint für den Frieden) fordert, ist im Beschluss keine Rede.