Venezuela / Politik

Massive Störmanöver gegen den Dialog in Venezuela

US-Regierung nimmt Venezuelas Unterhändler Saab in Haft. Provokative Äußerungen von EU-Außenbeauftragtem Borrell. Regierung Maduro besteht auf Souveränität des Landes

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Die Regierungsdelegation protestierte bei der Ankunft in Mexiko gegen die Inhaftierung Saabs
Die Regierungsdelegation protestierte bei der Ankunft in Mexiko gegen die Inhaftierung Saabs

Caracas/Brüssel/Washington. Die Delegation der venezolanischen Regierung für den Dialog mit der Opposition in Mexiko ist zu der für gestern angesetzten weiteren Gesprächsrunde nicht erschienen. Der Leiter der Delegation, Parlamentspräsident Jorge Rodríguez, erklärte dies als Protest gegen die Überstellung des Diplomaten Alex Saab von den Kap Verden in die USA.

Die Gespräche in Mexiko haben bislang dazu geführt, dass die venezolanische Opposition nach mehreren Jahren des Wahlboykotts zu den Regional- und Kommunalwahlen am 21. November wieder antreten wird.

In den Tagen zuvor hatte der Hohe Vertreter der Europäischen Union (EU) für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, den demokratischen Prozess in Venezuela mit Äußerungen über die geplante Wahlbeobachtungsmission der EU belastet. Deren Zweck bezeichnete Borrell als "Unterstützung der Opposition". Der Bericht der Mission über die Wahlen werde anschließend die Wahlen "legitimieren oder delegitimieren".

Nach einem massiven Protest der Wahlbehörde in Venezuela (CNE) korrigierte die EU sich und erklärte, dass die Mission "sich an strengen Kriterien der Unparteilichkeit, der Nichteinmischung in den Ablauf des Wahlprozesses und der Achtung der Souveränität des Landes orientiert."

Mit Saab haben die US-Behörden nun ein nominelles Mitglied der Verhandlungsdelegation der venezolanischen Regierung in Mexiko inhaftiert.

In einem Kommuniqué verurteilte die Regierung von Präsident Nicolás Maduro am Samstag "die Entführung des venezolanischen Diplomaten Alex Saab" durch die Regierung der USA "in Komplizenschaft mit den Behörden von Kap Verde". Es sei allgemein bekannt, dass Saab "Vertreter unserer Regierung am Dialogtisch ist (...), was bedeutet, dass dieses Verbrechen auch die gute Entwicklung der Verhandlungen gefährdet". Der Vorgang stelle eine "schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte" gegen einen venezolanischen Bürger dar, "der als Diplomat und Vertreter unseres Landes in der Welt tätig ist" und sei ein gefährlicher Präzedenzfall für das Völkerrecht. "Wir behalten uns das Recht vor, als souveräne Nation zu entscheiden, welche Maßnahmen wir entsprechend ergreifen werden", heißt es darin weiter.

Bereits vor der letzten Gesprächsrunde Ende September kritisierten die Vertreter der Regierung Maduro die Bemühungen des Weißen Hauses um die Auslieferung Saabs scharf. Bei ihrer Ankunft in Mexiko hielten sie vor der Presse Plakate mit seinem Konterfei hoch. Saab war am 14. September offiziell zum Mitglied der Dialog-Delegation ernannt worden.

Caracas hatte versucht, den Geschäftsmann in das Verhandlungsteam in Mexiko zu integrieren. Saab wurde auf den Kapverden festgehalten, wo er im Juni 2020 bei einer Zwischenlandung auf dem Weg in den Iran zur Aushandlung von Handelsabkommen festgenommen wurde. Die USA hatten einen Interpol-Haftbefehl wegen "Geldwäsche" gegen ihn erwirkt. Der Vorwurf basiert darauf, dass Saab in internationaler Vermittlung Erfolge dabei erzielte, die Auswirkungen der US-Sanktionen gegen Venezuela zu mildern.

Das kapverdische Verfassungsgericht bestätigte kürzlich die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsersuchens Washingtons (amerika21 berichtete), obwohl die beiden Länder kein entsprechendes Abkommen haben und Saabs Verteidiger auf juristische Unregelmäßigkeiten hinwiesen.

Rodríguez erklärte, dass seine Regierung nicht locker lassen werde, bis Saab wieder frei ist: "Venezuela wird unseren Abgesandten Alex Saab mit allen rechtlichen und diplomatischen Mitteln verteidigen und den Fall vor alle multilateralen Menschenrechtsgremien bringen", fügte er hinzu.

Er beschuldigte die kapverdischen Behörden, kein ordnungsgemäßes Verfahren gegen Saab durchgeführt zu haben. "Sie haben auch die Anweisung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen vom 8. Juni 2021 über die Aussetzung der Auslieferung an die USA ignoriert, was die Komplizenschaft der Behörden dieses Landes mit der Politik der Aggression gegen Venezuela durch die US-Regierung zeigt", schloss der Leiter der Verhandlungsdelegation für die Gespräche in Mexiko.

Während die US-Politik gegenüber Venezuela konstant davon bestimmt ist, Dialogansätze zwischen Regierung und Opposition zu torpedieren, scheint die EU in ihrer Haltung schwankend. Der Eklat um die Ausrichtung ihrer Wahlbeobachtung im November brachte die EU nicht nur zum Einlenken gegenüber dem CNE, der EU-Außenamtschef Borrell distanzierte sich auch von zentralen Vertretern der äußersten Rechten in Venezuela.

Er beschuldigte die Politiker der Oppositionspartei Voluntad Popular, Leopoldo López und Juan Guaidó, die Wahlbeobachtungsmission, die die EU zu den "Mega-Wahlen" entsenden wird, "sprengen" zu wollen. Ihr Verhalten sei ein Widerspruch dazu, dass ihre Partei gleichwohl zu den Wahlen antreten werde.

Sowohl Kräfte der venezolanischen Rechten wie auch deren Unterstützer in den USA sind besorgt, dass die Mission der EU die Regierung Maduro legitimieren könnte.

Borrell gab auf einer Pressekonferenz am Sitz der EU-Delegation in Washington zum Abschluss seines zweitägigen Besuchs in der US-Hauptstadt eine Erklärung ab, um nach seinen Gesprächen mit US-Außenminister Antony Blinken dessen einverständliche Haltung wiederzugeben. Blinken selbst äußerte sich nicht zur EU-Wahlbeobachtungsmission.

Demnach halte Borrell es für "natürlich", dass die USA "eine weniger engagierte Position beibehalten", bedankte sich aber "für Blinkens Unterstützung" bei den Versuchen der EU, "die Demokratie nach Venezuela zu bringen".

Wenige Tage zuvor hatte der US-Nachrichtensender CNN in seiner spanischsprachigen Ausgabe gemeldet, die EU riskiere mit ihrer Absicht, ein Team zur Beobachtung der Wahlen in Venezuela zu entsenden, "ihren wichtigsten Verbündeten zu verärgern".

Anfang dieses Jahres hatte die EU bereits ihre Anerkennung von Guaidó als rechtmäßigem Interimspräsidenten aufgegeben und ist damit in Konflikt mit den USA geraten, die Guaidó weiterhin anerkennen.

Solche Spannungen zwischen Brüssel und Washington seien nach Meinung von CNN darauf zurückzuführen, dass die EU versuche, "ihren Einfluss als eigenständige Weltmacht und Verfechterin westlicher Werte" in Lateinamerika zu stärken.