Guatemala / Soziales

Wieder hohe Zahl an minderjährigen Schwangeren in Guatemala

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Die Kampagne #NiñasNoMadres informiert über sexuelle Gewalt und erzwungene Mutterschaft lateinamerikanischer Mädchen
Die Kampagne #NiñasNoMadres informiert über sexuelle Gewalt und erzwungene Mutterschaft lateinamerikanischer Mädchen

Guatemala-Stadt. Laut einem Bericht der staatlichen Beobachtungsstelle für sexuelle und reproduktive Gesundheit in Guatemala beträgt die Zahl der bei Minderjährigen im vergangen Jahr dokumentierten Schwangerschaften bis zum 9. Dezember 2020 99.656. Damit liegen sie etwas niedriger als im Jahre 2019, als 114.858 festgestellt wurden. Allerdings gehen Fachleute aufgrund der Corona-Pandemie von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.

Bei zehnjährigen Mädchen wurden 30 Fälle dokumentiert, bei elfjährigen 58, bei zwölfjährigen 241, 776 bei 13-jährigen und 3.430 bei 14-jährigen Mädchen. 46 Mädchen sind bei der Geburt gestorben.

"Die Pandemie macht Mädchen und Jugendliche noch angreifbarer, weil sie gezwungen sind unter einem Dach mit dem Agressor zu leben. Die Untersuchungen gehen davon aus, dass Schwangerschaften bei Mädchen in drei von zehn Fällen Produkt einer Vergewaltigung durch den Vater sind, in weiteren sechs Fällen durch einen nahen Verwandten." Während des strikten Lockdowns von März bis August seien die Mädchen nicht in der Schule, nicht in der Kirche, nicht auf öffentlichen Plätzen gewesen: "Wo waren sie? Zu Hause, das heißt, der sexuelle Missbrauch ist im Haus, in der Familie oder sehr nahe an der Familie", beschreibt Otto Rivera von der Kinderschutzorganisation Ciprodeni die Situation.

Neben den psychischen Auswirkungen macht den Mädchen die extreme Armut zu schaffen. So berichtet Prensa Libre: "Luz gebar mit 13 Jahren ein Baby von sechs Pfund Gewicht. Sie lebt in einer Gemeinde die stark von den Hurrikans Eta und Iota betroffen waren. Das Datum der Hurrikans im November letzten Jahres bleibt ihr immer im Gedächtnis, weil in diesen Tagen ihr Kind gestorben ist. Es wog nur noch vier Pfund. Die Armut, in der die junge Mutter und ihre Familie lebten, erlaubten zur Ernährung nur einen verdünnten Maisbrei, Muttermilch konnte sie durch ihr kindliches Alter noch nicht geben."

In Guatemala ist jedes zweite Kind unter fünf Jahren chronisch unterernährt. Zu erwarten ist eine deutliche Zunahme von Armut und Unterernährung als Folge der Pandemie und der Wirbelstürme im vergangenen Jahr.

Als Konsequenz aus den hohen Zahlen des sexuellen Missbrauchs wurde eine spezielle Stelle bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet und das Thema erfuhr in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit. Ein Erfolg ist, dass das Parlament im Juni 2018 die Heirat von Minderjährigen untersagt hat.

Insgesamt bleiben die staatlichen Maßnahmen aber unzureichend und öffentliche Stellen zum Schutze von Kinder und Jugendlichen können schon durch die geringen finanziellen Mittel nur unzureichend tätig werden. So sind es vor allem durch Spendengelder finanzierte Nichtregierungsorganisationen, die Hilfe leisten.

Eine von ihnen, die sich auch um schwangere Mädchen und Jugendliche kümmert, ist das 1989 in Quetzaltenango gegründete Ökumenische Zentrum für seelsorgerische Integration (Ceipa), eine katholische Initiative aus befreiungstheologischer Tradition. Das Zentrum ist auch in benachbarten Departamentos tätig, wo es kostenlose Schulen im Nachmittags- und Abendunterricht für arbeitende Kinder und Jugendliche betreibt.

Ceipa begleitet von sexuellem Missbrauch betroffene Kinder und Jugendliche bei Anzeigen, achtet darauf, dass diese nicht bei der Polizei "versanden", begleitet sie bei der Staatsanwalt und sorgt für professionelle psychologische Unterstützung. Um einen besseren Schutz der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, hält Oscar Ricardo García León, Gründer und Vorsitzender des Zentrums, allerdings strukturelle Veränderungen für erforderlich: "Das Problem hat seine Ursache in dem patriachalischen Staat, der ausgrenzt und diskriminiert, und die Kinder und Jugendlichen zunehmend verwundbar macht", sagte er gegenüber amerika21.