Chile / Lateinamerika

Fälle exzessiver Polizeigewalt in Lateinamerika nehmen zu

Amnesty kritisiert in Studie Vorgehen der Polizei bei Protesten vor einem Jahr in Chile. Auch in anderen Ländern viele ähnliche Fälle in diesem Jahr

Santiago de Chile. Ein Jahr nach den landesweiten Protesten gegen die Regierung in Chile, hat Amnesty International einen Bericht zur exzessiven Polizeigewalt während der Proteste Ende 2019 veröffentlicht. Die Organisation fordert darin eine Untersuchung der Führungsriege der "Carabineros" genannten Polizei des Andenlandes. Lateinamerika und die Karibik zeigten grundsätzlich eine steigende Tendenz der Fälle von exzessiver Polizeigewalt, so die Menschenrechtsorganisation.

In dem über hundertseitigen Dokument erklärt Amnesty die Hintergründe zu den Protesten, die Opferstatistiken und dokumentiert ihre Methodik, in der offizielle Daten analysiert und Gespräche mit Opfern der Polizeigewalt und Repräsentanten des Staates hinzugezogen wurden.

Als Fazit stellt Amnesty fest, dass die Menschenrechte der Protestierenden durch Agenten der Carabineros zumindest in den ersten anderthalb Monaten im Jahr 2019 "in großem Umfang verletzt wurden". Die exzessive Gewalt würde hier als gezieltes Mittel gegen die Bevölkerung eingesetzt, um "die Demonstrationen zu stören".

Laut der Organisation sollten diese Ereignisse jedoch als einmalige Chance genutzt werden, soziale Rechte und gesellschaftliche Minderheiten in eine mögliche neue Verfassung besser einzubinden, sollte das Referendum zur Änderung der Verfassung am 25. Oktober von der Bevölkerung angenommen werden.

Jedoch ist Chile nur eines der Beispiele langanhaltender exzessiver Polizeigewalt in Lateinamerika. Der Auslandsrundfunk Deutsche Welle thematisiert unter anderen die Beispiele Kolumbien und Mexiko, wo in diesem Jahr bereits mehrere Menschen bei Protesten durch Polizeigewalt ums Leben kamen. Auch amerika21 berichtete bereits mehrfach in diesem Jahr über solche Fälle in Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien und Venezuela .

Als Grund für die ansteigende Gewalt wird die Militarisierung der Polizei genannt, da außergesetzliche Maßnahmen zur Lösung von Problemen in der Gesellschaft weiterhin akzeptiert werden. Dazu gehört zum Beispiel die Eliminierung von potenziellen Straftätern anstelle einer Festnahme.

Laut Amnesty’s stellvertretender Forschungsdirektorin für Amerika, Fernanda Doz Costa, klingt diese Akzeptanz außerdem aus der Zeit der Diktaturen Lateinamerikas nach. Zu dieser Zeit sah die Polizei Protestierende als "eine Gefahr für den Staat, nicht Menschen, deren Recht auf friedlichen Protest sie zu schützen haben". Weiterhin kritisiert sie die häufige Straflosigkeit von Polizeibeamten.