Brasilien / Politik

Brasilien: Sohn von Präsident Bolsonaro finanzierte kriminelle Geschäfte

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Im Visier der Ermittler: Präsidentensohn Flávio Bolsonaro (links) mit seinem Vater
Im Visier der Ermittler: Präsidentensohn Flávio Bolsonaro (links) mit seinem Vater

Rio de Janeiro. Mitglieder der Präsidentenfamilie Bolsonaro sind offenbar in kriminelle Immobiliengeschäfte verwickelt und haben mit dem organisierten Verbrechen von Rio de Janeiro kooperiert. Laut dem brasilianischen Bundeskriminalamt, der Bundespolizei (PF), hat der älteste Sohn des Präsidenten, Flávio Bolsonaro, über Jahre mit öffentlichen Geldern wissentlich den illegalen Bau von Häusern durch die paramilitärische Miliz finanziert und daraus Gewinne erzielt. Dies belegen Dokumente und Daten von Telefon- und Kontenüberwachung, die der Bundesstaatsanwalt von Rio de Janeiro vorliegen und zu denen das Investigativmagazin The Intercept Brasil exklusiven Zugang hatte.

Die Ermittlungen beziehen sich auf die Zeit von 2003 bis 2018, in der Flávio Bolsonaro Abgeordneter in der gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates Rio de Janeiro war und sein Vermögen um fast eine halbe Million Euro vermehrte. Demnach kassierte sein Büroleiter Fábrizio Queiroz bis zu 40 Prozent der Gehälter von Bolsonaros Angestellten – das sogenannte System "rachadinha". Den Ermittlern zufolge überwies Queiroz einen Teil des Geldes an den Kopf einer Gruppe des organisierten Verbrechens, Adriano da Nóbrega. Mit diesen Geldern finanzierte die kriminelle Gruppe in von ihr kontrollierten Stadtteilen im Westen von Rio den illegalen Bau und Verkauf von Wohnimmobilien. Im April 2019 starben 24 Menschen als zwei dieser Gebäude einstürzten.

Ein Anteil der Gewinne ist später an den Präsidentensohn zurückgeflossen, was den rapiden Anstieg seines Vermögens erklärt, so The Intercept. Als Bolsonaro Junior 2002 in die Politik eintrat, gab er Vermögenswerte von 25.500 Reais (damals ca. 12.500 Euro) an. Im Jahr 2018 waren es 1,74 Millionen (damals ca. 440.000 Euro). Die Angestellten waren in das System "rachadinha" eingeweiht. Flávio Bolsonaro beschäftigte unter anderem die Frau und die Mutter des Anführers Adriano da Nóbrega.

Nóbrega war ein Bekannter der Familie Bolsonaro sowie Ex-Hauptmann der Polizeisondereinheit Bope und gilt zudem als Kopf einer Bande von Auftragsmördern, dem "Büro des Verbrechens" (Escritório do Crime). Ermittler machen sie für den Mord an der linken Politikerin Marielle Franco verantwortlich. Nóbrega wurde im Februar dieses Jahres auf der Flucht von der Bundespolizei erschossen, nachdem er bei einem Parteikollegen des Präsidenten Bolsonaro im Bundesstaat Bahía untergetaucht war. Medien beschreiben den Polizeieinsatz als "Hinrichtung" und mutmaßen, dass ein wichtiger Zeuge aus dem Weg geräumt werden sollte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Bolsonaro Junior wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Veruntreuung öffentlicher Mittel. Sie stützt sich dabei auf die Auswertung von Bankdaten von 86 Personen, die in das Geschäft mit dem illegalen Bau und Verkauf von Gebäuden verwickelt sind, schreibt The Intercept auf seiner Seite. Bereits im Dezember 2019 berichtete das Nachrichtenportal G1 über das System der "rachadinha" im Abgeordnetenbüro von Flávio Bolsonaro.

Die jüngsten Ermittlungserfolge der Bundespolizei sind einer der Gründe, warum Brasiliens Staatsoberhaupt letzte Woche den Leiter der Bundespolizei absetzte und damit den Rücktritt von Justizminister Sergio Moro provozierte. Bolsonaro hat immer wieder versucht, in die Ermittlungen einzugreifen oder an geheime Informationen zu gelangen. "Die Untersuchungen sorgen die Familie Bolsonaro – bereits neun Mal forderten die Anwälte des Senators, das Verfahren einzustellen", schreibt The Intercept.

Erst im März hatte eine Richterin von Rio de Janeiro einer formalen Beschwerde von Flávio Bolsonaro stattgegeben und die Untersuchungen ausgesetzt. Diese Entscheidung wurde später aufgehoben. Fabrício Queiroz und Flávio Bolsonaro weisen die Anschuldigungen von sich.