UN-Menschenrechtsausschuss: Paraguay für Einsatz verbotener Pestizide verantwortlich

Menschenrechtsverletzungen durch massiven Pestizideinsatz angeprangert. Steigender Einsatz von Agrarchemie durch mehr Sojaflächen

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Kleinbäuerliche Dörfer umringt  von Pestizid-besprühten Sojafeldern in Caazapá in Paraguay (2005)
Kleinbäuerliche Dörfer umringt von Pestizid-besprühten Sojafeldern in Caazapá in Paraguay (2005)

Genf/Asunción. Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat den Staat Paraguay dringend aufgefordert, eine umfassende Untersuchung des landwirtschaftlichen Pestizid-Einsatzes mit Sprühflugzeugen und dadurch verursachte Vergiftungen von Menschen und von Gewässern, Böden und Nahrungsmitteln durchzuführen.

In seiner am 14. August publizierten Entscheidung wird die Regierung von Paraguay ermahnt, die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen und die Opfer vollumfänglich zu entschädigen. Der Beschluss des Ausschusses solle zudem in einer auflagenstarken Tageszeitung veröffentlicht werden.

Die Opfer sind Familien, die kleinbäuerliche Landwirtschaft am Kuairú-Fluss im Departamento Canindeyú betreiben. In der Region breiten sich das industriell betriebene Agrobusiness und der mechanisierte Anbau gentechnisch veränderter Sojabohnen stark aus. Die brasilianische Firma Cóndor Agrícola S.A. hatte dort 2005 eine Sojaplantage angelegt und immer wieder Pestizide mit Traktoren und Flugzeugen ausgebracht.

Der großflächige Einsatz hochgiftiger Agrarchemikalien durch Cóndor Agrícola und viele weitere Sojabetriebe in Paraguay hat schwerwiegende Konsequenzen für die Bewohner, ihre Gesundheit und Lebensräume: Wasserquellen und Grundwasservorräte werden verschmutzt und die Nutzung der Gewässer verunmöglicht, ihre Obstbäume zerstört, Vieh getötet und Ernten schwer beschädigt.

So erlitten die Opfer in Canindeyú eine Vielzahl Vergiftungssymptome, wie Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, Kopf- und Magenschmerzen, Fieber, Durchfälle, Husten und Hautverätzungen. Die Kontaminierung durch Pestizid-Sprühflugzeuge führte allein in dieser Gemeinde im Jahr 2011 zum Tod einer Person und zur Vergiftung von mindestens 22 Menschen.

Die Hinterbliebenen des Verstorbenen und weitere Geschädigte hatten mit Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen in Paraguay zunächst eine Verfassungsbeschwerde gegen vier Ministerien und Behörden eingereicht. Bei Proben vor Ort waren verbotene, hochtoxische Chemikalien wie Aldrin und Lindan gefunden worden.

Das Verfassungsgericht urteilte, dass das Umweltministerium und sein Nationaler Pflanzenschutzdienst mit der Versäumnis, ihre Pflichten zu erfüllen, ernsthafte physische Schäden zugelassen hätten. Der Staat habe es versäumt, "seiner verfassungsmäßigen Pflicht zum Schutz des Menschenrechts auf Gesundheit, auf körperliche und seelische Unversehrtheit, auf Lebensqualität und eine gesunde, ökologisch intakte Umwelt nachzukommen". Das Gericht wies beide Institutionen an, "die Umweltressourcen zu schützen und zu gewährleisten, dass Pufferzonen diejenigen Flächen, auf denen Agrarchemikalien eingesetzt werden, von menschlichen Siedlungen und Wasserläufen trennen".

Die Regierung setzte das Verfassungsgerichtsurteil jedoch nicht um. Der teils illegale Pestizideinsatz mit Sprühflugzeugen ohne Vorkehrungen zum Schutz der Umwelt dauert bis heute an. Und die Sojaproduzenten wenden weiterhin große Mengen Agrarchemikalien in nächster Nähe von bewohnten Gebieten an.

Aktuelle FAO-Daten belegen, dass der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Paraguay von 3.380 Tonnen (1990) auf 27.000 Tonnen (2016, neueste Daten) parallel zur Ausweitung der mit Soja bebauten Ackerfläche sprunghaft angestiegen ist. Diese Flächen wurden von wenigen Tausend Hektar in den 1960er Jahren auf heute rund 3,4 Millionen Hektar (2017) ausgeweitet. Hieran beteiligt sind vor allem auch Investoren aus Brasilien, die im Nachbarland billigere Böden erwerben. Das Soja ist größtenteils gentechnisch verändert, womit ein massiver Einsatz des laut internationaler Krebsagentur "wahrscheinlich krebserregenden" Herbizids Glyphosat einher geht.

Hélène Tigroudja, französische Professorin für Völkerrecht und internationales Recht der Menschenrechte, bezeichnet den aktuellen Beschluss des UN-Gremiums als wegweisend, da er einen Zusammenhang zwischen gravierender Umweltschädigung und der Beeinträchtigung der Menschenrechte anerkennt. Demzufolge könnten in Zukunft Hunderte ähnlich gelagerter Fälle vorgelegt werden. Tigroudja ist Mitglied des Menschenrechtsausschusses.

Bereits 2007 hatte sich der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit den Landkonflikten aufgrund des vordringenden Sojaanbaus und damit einhergehenden Pestizideinsätzen befasst und die Regierung von Paraguay gerügt. Das Gremium hatte damals schon den Staat aufgefordert, die sozialen Menschenrechte der Indigenen und Kleinbauern auf Gesundheit, Nahrung und Wohnung zu garantieren und sicherzustellen, dass sie nicht durch gewaltsame Vertreibungen für neue Plantagen und den Einsatz hochtoxischer Ackergifte verletzt werden. Hierzu sollten effektive Inspektionen der Sojafarmen durchgeführt und traditionelle Landrechte legal abgesichert werden.