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Verwirrung um Haltung der Schweiz zu Putschversuch in Venezuela

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Sorgte erneut mit einem Tweet zu Venezuela für Unruhe: Diplomat Bénédict de Cerjat
Sorgte erneut mit einem Tweet zu Venezuela für Unruhe: Diplomat Bénédict de Cerjat

Bern. Ein Schweizer Diplomat hat mit Äußerungen auf Twitter zu Venezuela für eine Kontroverse gesorgt, indem er eine Anerkennung des selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó suggerierte. Außenminister Ignacio Cassis sah sich anschließend zu einer Richtigstellung genötigt.

Botschafter Bénédict de Cerjat, Leiter der Abteilung Amerikas im Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), schrieb am 24. Januar auf Twitter, die Schweiz erachte "die Nationalversammlung in Folge der demokratischen Wahlen von 2015 als legitim, sowie auch deren neugewählten Präsidenten #JuanGuaidó". Zum Zeitpunkt des Tweets hatte das Außendepartement sich noch nicht zur Lage in Venezuela geäußert.

Die Kurznachricht wurde verschiedentlich als Anerkennung der Selbstproklamation Guaidós als "Interimspräsident" verstanden. So titelte die oppositionelle venezolanische Tageszeitung El Nacional: "Schweiz anerkennt Guaidó als Interimspräsidenten Venezuelas". Versión Final, eine Zeitung aus dem venezolanischen Maracaibo, schrieb: "Albanien und die Schweiz verlängern die Liste der Staaten, die Juan Guaidó unterstützen". Weiter hieß es dort: "Der Botschafter Bénédict de Cerjat informierte über Twitter, dass die Regierung seines Landes ebenfalls Juan Guaidó als geschäftsführenden Präsidenten Venezuelas anerkennt."

Ähnlich wertete der Vertreter der Auslandsschweizer in Venezuela, Pierino Lardi, de Cerjats Stellungnahme: "Ob das eine offizielle Anerkennung der neuen Regierung ist, darüber kann man diskutieren, aber der Botschafter tat dies wohl nicht ohne Absprache mit Außenminister Ignazio Cassis. Die Schweiz fügt sich damit ein in die Reaktionen der USA, Kanadas und fast aller Nachbarländer Venezuelas", sagte Lardi gegenüber dem Newsportal Swissinfo.

Kurz darauf sah sich Außenminister Cassis gezwungen, de Cerjat öffentlich zu korrigieren. "Wir können nur Staaten anerkennen und keine Regierungen", sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos auf die Frage eines Journalisten. Es sei Sache des jeweiligen Landes, seine Institutionen zu schaffen. Bezüglich der Präsidentenfrage in Venezuela nehme die Schweiz keine Position ein. Stattdessen erklärte Cassis die grundsätzliche Bereitschaft der Schweiz, im Konflikt zu vermitteln.

Der offensichtliche Alleingang des Amerika-Chefs im EDA ist besonders brisant, da Bénédict de Cerjat bis Februar 2016 Geschäftsträger der Schweizer Botschaft in Caracas war. Wegen Äußerungen auf Twitter, die als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes aufgefasst wurden, erklärte Venezuelas Regierung damals den Diplomaten zur unerwünschten Person und verwies ihn des Landes.

In den vergangenen Tagen haben sich auch mehrere Mitglieder der Außenpolitischen Kommission des Schweizer Nationalrats (APK-N) zur Situation in Venezuela geäußert. Der Sozialdemokrat Fabian Molina sprach von einem "Staatsstreich" und betonte: "Präsidenten kommen durch Wahlen ins Amt, nicht durch Selbstkrönung." Molina sprach sich indes für "faire Neuwahlen" in Venezuela aus. Sein Parteikollege Carlo Sommaruga sagte dem Tagesanzeiger, eine Anerkennung Guaidós durch die Schweiz wäre "schwierig". "Das wäre ein Novum in der Schweizer Außenpolitik." Der Abgeordnete der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei, Luzi Stamm, warnte gegenüber derselben Zeitung, die Schweiz dürfe nicht den "Strafmaßnahmen" der USA folgen. Die wirtschaftliche Blockade der USA gegen Venezuela sei für das Chaos in dem südamerikanischen Land mitverantwortlich. APK-Präsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter mahnte, die neutrale Schweiz solle in Venezuela eine vermittelnde Rolle einnehmen.

Bereits im Frühjahr 2018 hatte sich die Außenpolitische Kommission des Nationalrats eingeschaltet, nachdem die Schweizer Regierung entgegen der diplomatischen Gepflogenheiten des Landes unilaterale Sanktionen gegen Venezuela verhängt hatte. In einer offiziellen Mitteilung zeigten sich damals mehrere Kommissionsmitglieder "erstaunt" über die Zwangsmaßnahmen. Die Schweiz pflegt sich ansonsten nur Sanktionen anzuschließen, die der UN-Sicherheitsrat beschließt. Die Maßnahmen gegen Venezuela wurden auch von Kennern der Schweizer Diplomatie als "sehr ungewöhnlich" bezeichnet.