Chile / Politik

Opposition in Chile fordert nach Politmord Rücktritt des Innenministers

Neue Erkenntnisse im Mordfall Catrillanca. Sicherheitschef von Araucanía widerspricht Darstellung Chadwiks. Präsident Piñera schützt ihn weiterhin

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Präsident Piñera ‒ hier bei der Ernennung des neuen Generaldirektors der Militärpolizei, Mario Rozas Córdova, am 21. Dezember ‒ steht nach wie vor hinter seinem Innenminister Chadwick (links im Bild)
Präsident Piñera ‒ hier bei der Ernennung des neuen Generaldirektors der Militärpolizei, Mario Rozas Córdova, am 21. Dezember ‒ steht nach wie vor hinter seinem Innenminister Chadwick (links im Bild)

Santiago. Der Druck auf Chiles Innenminister Andres Chadwick nimmt weiter zu, nachdem der frühere Sicherheitschef der Polizei in der Region Araucanía erklärt hat, er habe den Politiker umgehend über die Todesumstände des jungen Mapuche Camilo Catrillanca informiert.

Am 14. November 2018 hatte ein Angehöriger der chilenischen Militärpolizei den Catrillanca erschossen. Vorausgegangen sei eine Verfolgungsjagd mit Autodieben, die in einem Feuergefecht in der indigenen Gemeinde Temucuicui endete, behauptete die Regierung damals. Der Ermordete sei zudem vorbestraft und in den Autodiebstahl verwickelt gewesen. Beides erwies sich im nachhinein als falsch.

Fragwürdig war von Anfang an auch, weshalb für die Aktion  die Spezialeinheit "Dschungelkommando" eingesetzt wurde, obwohl es sich angeblich nicht um einen Einsatz im Rahmen des Konflikts zwischen staatlichen Kräften und Mitgliedern der Mapuche-Gemeinschaft handelte. Im Laufe der Zeit wurde bekannt, dass Catrillanca schon länger wegen seines politischen Einsatzes für die Rechte der Mapuche und gegen die Militarisierung der Region im Visier der Polizei gewesen war.

Obwohl dies Anfangs bestritten wurde, stellte sich heraus, dass der Einsatz mit Helmkameras durchgeführt wurde. Auf den Videos ist klar zu erkennen, dass es kein Feuergefecht gab und nur die tödlichen Schüsse des Polizisten Carlos Alarcón auf Catrillanca fallen. Es ist bereits nachgewiesen, dass die Polizisten von dem ehemaligen General Franzani und einem Anwalt dazu veranlasst wurden, Falschaussagen zu machen und Beweismaterial zu vernichten. Auf erste Rücktrittsaufforderungen an Innenminister Andrés Chadwick, der die politische Verantwortung in diesem Fall trug, verteidigte er sich bisher damit, wie alle anderen durch diese Aussagen getäuscht worden zu sein.

Allerdings hat der ehemalige Ordnungs- und Sicherheitschef der Polizei in der Region Araucanía, Mauro Victtoriano, bereits am 6. Dezember ausgesagt, den Innenminister noch am Tag des Todes von Camilo Catrillancas persönlich telefonisch darüber informiert zu haben, dass es vor dem Vorfall keinen Schusswechsel gab und der Verstorbene unbewaffnet gewesen sei. Eine Version die den bisherigen Äußerungen Chadwicks widerspricht und bedeuten würde, dass der Innenminister wichtige Informationen verschwiegen hat, um von einer politischen Tat abzulenken und den Einsatz des Spezialkommandos zu rechtfertigen. Er verteidigte sich gegen diese Anschuldigungen, indem er zum wiederholten Male einen Bericht vorlegte, der ihm am Folgetag des Geschehens vom General Victtoriano persönlich geschickt worden war. Zu dem Telefonat gab er an, die Verbindung sei so schlecht gewesen, weshalb gewisse Informationen eventuell verloren gegangen sein könnten.

Die Opposition fordert nun erneut den Rücktritt Chadwicks, da dieser endgültig seine Glaubwürdigkeit verloren habe. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chiles, Guillermo Tellier, forderte Präsident Sebastián Piñera auf, den Innenminister zum Rücktritt zu bewegen, da die vielfachen Widersprüche sein Ansehen schwer beschädigt hätten und er somit kein geeigneter Gesprächspartner in den Verhandlungen zur Lösung des Konflikts und den Forderungen der Mapuche mehr sei. Der Chef der Sozialistischen Partei, Álvaro Elizade, unterstützt diese Position und fügte hinzu, Chadwick sei mittlerweile eine Last für seine eigene Regierung. Die kommunistische Abgeordnete Camila Vallejo betonte, dass sein Rücktritt ein wichtiges politisches Zeichen der Bereitschaft zum Dialog seitens der Regierung wäre.

Derzeit wird die Möglichkeit diskutiert, eine "acusación consitucional" einzureichen, sollte es nicht zum freiwilligen Rücktritt Chadwicks kommen. Dabei handelt es sich um einen komplexen juristisch-politischen Prozess, mit dem hohe Staatsbeamte vor dem Kongress zur Verantwortung gezogen werden und ihres Amtes enthoben werden können. Präsident Piñera schenkt seinem Cousin Chadwick dagegen weiterhin seine ganze Unterstützung und rief die Parlamentarier auf, "verantwortlich" zu handeln und diesen Schritt nicht einzuleiten.

Der Parlamentarier Giorgio Jackson vom Linksbündnis Breite Front (Frente Amplio) erklärte, es bestehe ein breiter Wille innerhalb des Kongresses, die Anklage gegen den Innenminister einzureichen. Allerdings sei noch unklar, ob die Stimmen der Opposition zur Amtsenthebung reichen würden.

In der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien – vor allem über den Kurznachrichtendienst Twitter – wird das Thema derzeit intensiv diskutiert. Der Hashtag #RenunciaChadwick war Anfang vergangener Woche landesweit auf den führenden Plätzen. Die mediale Aufmerksamkeit veranlasste Piñera, frühzeitig von seiner Reise nach Puerto Willimas in die Hauptstadt zurückzukehren, um "das aufgeheizte Klima zu beruhigen".

Der Innenminister selbst schließt einen freiwilligen Rücktritt indes aus und beteuert ein "absolut ruhiges Gewissen" zu haben: "Ich habe die Verfassung und die Gesetze befolgt und immer mit der Wahrheit gearbeitet." Er fügte hinzu, man habe den Versionen der Polizei von Anfang an keinen Glauben geschenkt und sofort die Aufklärung des Falles eingeleitet. Daher werde er weiterhin seinen Ministerposten behalten, solange der Präsident dies wünsche.