Über 50.000 Aktivistinnen bei Frauenkongress in Argentinien

Zahlreiche Workshops zu Frauenrechten. Übergriffe von Abtreibungsgegnern bei Kundgebung. Kritik an Brasiliens Präsidentschaftskandidat Bolsonaro

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Über 50.000 Frauen nahmen in diesem Jahr in der argentinischen Region Chubut am seit 1985 jährlich stattfindenden Frauenkongress teil
Über 50.000 Frauen nahmen in diesem Jahr in der argentinischen Region Chubut am seit 1985 jährlich stattfindenden Frauenkongress teil

Trelew, Argentinien. Zum diesjährigen Frauenkongress sind mehr als 50.000 Aktivistinnen aus Argentinien und benachbarten Ländern zusammengekommen. Vom 13. bis 15. Oktober versammelten sich die Frauen in Trelew in der Provinz Chubut im Süden Argentiniens. Themen, die die Veranstaltung dominierten, waren die öffentliche Diskussion über das Abtreibungsverbot und der Umgang der katholischen Kirche mit den Missbrauchsvorwürfen gegenüber Priestern.

Alljährlich gehen tausende Frauen, Feministinnen, Lesben und Transgender aus ganz Lateinamerika zur Tagung, um sich für ihre Rechte zu engagieren und sich zu organisieren. Sie demonstrieren auch gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen, tauschen ihre Erfahrungen aus und diskutieren gemeinsame Ziele. In über 70 Workshops wurde etwa über legale Abtreibung, Pubertät, "Sexarbeit", Frauen mit indigenen Wurzeln, Fußball, Feminismus sowie Belästigung und sexuelle Übergriffe diskutiert.

Die "Encuentros Nacionales de Mujeres" (ENM) finden seit 1985 einmal im Jahr in Argentinien statt. Der Kongress wurde diesmal in Chubut veranstaltet, um an den Tod des Aktivisten Santiago Maldonado in Cushamen (Chubut) bei einer Demonstration für Indigenen-Rechte im vergangenen Jahr zu erinnern. Maldonado war am 1. August 2017 verschwunden, nachdem er vor Polizisten geflohen war, die eine Demonstration angegriffen hatten. Am 17. Oktober 2017 wurde sein Leichnam in dem Fluss Rio Chubut gefunden. Die genauen Umstände seines Todes sind bislang nicht geklärt, es deutet jedoch einiges darauf hin, dass er ermordet wurde.

Traditionell endet die Tagung mit einer Demonstration durch die Straßen des Ausrichtungsorts. Laut Berichten der Tageszeitung Página12 gab es Übergriffe von Abtreibungsgegnern auf die Frauen. Eine Gruppe Aktivistinnen soll bei der Abschlusskundgebung versucht haben, eine Kirchentür anzuzünden. Die Polizei griff die Demonstrantinnen mit Tränengas und Gummigeschossen an.

Auch die Parole von Frauen in Brasilien "Ele Não" (Er nicht), die sich gegen den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro richtet, war zu hören. Bolsonaros diskriminierende und gewaltverherrlichende Äußerungen Frauen gegenüber machten immer wieder Schlagzeilen.

Die Frauen skandierten "was für ein Moment, was für ein Moment, trotz allem, sind wir hier", da der Frauenkongress in diesem Jahr vor dem Hintergrund einer kürzlich gescheiterten Gesetzesinitiative in Argentinien zur Legalisierung von Abtreibungen stattfand. Diese hätte es Frauen ermöglichen sollen,in den ersten 14 Schwangerschaftswochen legal abzutreiben. Die Kosten dafür sollten vom Gesundheitssystem abgedeckt werden. Nachdem der Entwurf mit nur knapper Mehrheit im Juni im Abgeordnetenhaus angenommen worden war, erreichte er in der Abstimmung im Senat nicht die Mehrheit.

Dass das Gesetzesvorhaben zur legalen, sicheren und kostenlosen Abtreibung Mitte August scheiterte, wird nicht zuletzt dem nach wie vor großen Einfluss der katholischen Kirchen in Argentinien zugesprochen. Zuletzt wurde die Debatte von Papst Franziskus wieder aufgenommen. Er hatte bei seiner Generalaudienz in Rom Abtreibung mit Auftragsmord gleichgesetzt und wurde dafür stark kritisiert, auch von katholischen Christen. Nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen werden in Argentinien pro Jahr rund eine halbe Million Schwangerschaften abgetrieben. Da Abtreibungen nur in wenigen Fällen legal sind, werden die meisten ungewollten Schwangerschaften illegal, unter schlechten hygienischen Bedingungen und mit hohen Risiken für die Frauen abgetrieben.

2019 wird die Versammlung in La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires ausgerichtet werden.