Präsident von Argentinien spricht erstmals von nationalem Notstand

Macri bildet Kabinett um und kündigte weitere Sparmaßnahmen an. Kritik von Gewerkschaften und sozialen Organisationen. Peso im freien Fall

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Gerade nicht so erfolgreich: Argentiniens Präsident Mauricio Macri
Gerade nicht so erfolgreich: Argentiniens Präsident Mauricio Macri

Buenos Aires. Präsident Mauricio Macri hat sich in Argentinien in einer 25-minütigen  Fernsehansprache an die Bevölkerung gewandt und angesichts einer schweren Währungskrise erstmals einen nationalen Notstand anerkannt. Angesichts des bereits mehrere Monate andauernden Werteverfalls des argentinischen Pesos warb er um Vertrauen in seine neoliberale Politik und Verständnis für bestehende und zukünftige Kürzungsmaßnahmen. Es sei nötig, "Anstrengungen zu unternehmen, um den Haushalt des Staates auszugleichen", so Macri. Die Zielsetzung eines Nulldefizits, das Macri damit anpeilt, hatte im Zuge der großen Staatskrise im Jahr 2001 bereits die Regierung von Präsident Fernando De la Rúa zu Fall gebracht.

Zum ersten Mal nahm der Präsident dabei die Worte "Krise" und "Notstand" in den Mund. Er anerkannte, dass die Inflation und der Verfall des Pesos, der alleine im August um 35 Prozent seines Werts gegenüber dem US-Dollar verloren hat, einen Anstieg der Armut zur Folge hat. Die Ursachen dafür sieht Macri jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der Politik seiner Regierung, sondern ausschließlich in externen Faktoren, darunter die anhaltende Trockenheit, der Handelskrieg zwischen China und den USA und natürlich das politische Erbe des Kirchnerismus. Obwohl der Verfall des Pesos bereits im April begann, will er auch in den erst vor wenigen Wochen publik gewordenen Vorwürfen systematischer Korruption um öffentliche Bauaufträge einen Grund für das mangelnde Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in die argentinische Wirtschaft erkennen. Schließlich kritisierte Macri auch indirekt die politische Opposition, die aus seiner Sicht die nationale Einheit gefährdet.

Der Krise will Macri mit weiteren Sparmaßnahmen begegnen. Dafür soll das derzeitige Regierungskabinett durch die Zusammenlegung von Ministerien mehr als halbiert werden. Kritiker weisen darauf hin, dass dadurch Ministerien für so zentrale Themen wie Gesundheit, Arbeit und Technologie nun zu Staatssekretariaten degradiert werden. Die Einglierderung der Gesundheitspolitik in das Ministerium für Soziale Entwicklung könnte etwa ein Hinweis darauf sein, dass das vorbildhafte, kostenlose und allen zur Verfügung stehende öffentliche Gesundheitssystem Argentiniens in Zukunft nur mehr für sozial schwächere Schichten zugänglich gemacht werden könnte. Zu größeren Personalrochaden an der Spitze der Ministerien kommt es trotz gegenteiliger Vorhersagen nicht.

In seiner Ansprache kündigte Macri auch an, die Ausgaben zum Schutz der sozial Schwächsten erhöhen zu wollen, darunter das Kindergeld und Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen für informell Beschäftigte. Soziale Organisationen wiesen jedoch darauf hin, dass die Erhöhung des Kindergeldes bereits im Juli dieses Jahres vereinbart worden war und daher keine Maßnahme im Rahmen des jetzigen Krisenpakets darstellt. Zudem würden die versprochenen Erhöhungen bei einem weiteren Verfall des Pesos die Verluste nicht mehr auffangen.

Finanzminister Nicolás Dujovne durfte in einer Pressekonferenz die Sparmaßnahmen im Detail verkünden. Bis 2020 sollen demnach durch Kürzungen im Bereich öffentlicher Bauaufträge, bei Subventionen in Energie und Transport und bei den laufenden Verwaltungskosten insgesamt 11,7 Milliarden US-Dollar eingespart werden. Darüber hinaus will man vorübergehende Zusatzeinnahmen generieren, indem einzelne von der Regierung Macri durchgesetzte unternehmerfreundliche Maßnahmen temporär zurückgenommen werden. So sollen die seit April geltende Reduktion der Arbeitgeberbeiträge zum Sozialsystem für ein Jahr ausgesetzt und die Exportsteuern für einen Zeitraum von zwei Jahren wiedereingeführt werden. Von letzteren wird insbesondere der Agrarsektor betroffen sein.

Macris Ansprache dürfte jedoch nicht die von der Regierung erhoffte Wirkung gehabt haben, denn bereits kurz darauf legte der US-Dollar erneut auf über 39 Pesos zu und steigt seither weiter. Um dessen Absturz zu bremsen, war erst in der Vorwoche eine vorzeitige Auszahlung von IWF-Krediten vereinbart worden. Auch diese Maßnahme blieb jedoch ohne Wirkung.

Soziale Organisationen kritisierten die angekündigten Maßnahmen der Regierung indes scharf. In einem Kommuniqué heißt es dazu: "Die Regierung will ihr Modell der Strukturanpassung und der Plünderung weiterführen, indem sie diese mit miserablen Sozialhilfegeldern auszugleichen versucht, die, sobald sie in den Geldbörsen der Menschen ankommen, schon wieder verpufft sind." Der Gewerkschaftsdachverband CGT betonte, Macris Ansprache habe lediglich Symbolcharakter gehabt. Im Hinblick auf die Zusammenlegung der Ministerien entstehe der Eindruck, dass "die Probleme der Arbeit und der Gesundheit der Arbeiter lediglich als mögliche Sparposten im Verwaltungsbudget gesehen werden." Die CGT hatte für 25. September bereits einen erneuten landesweiten Generalstreik angekündigt, der nun möglicherweise vorverlegt werden soll.