Argentinien / Politik

Justizoffensive gegen Ex-Präsidentin Kirchner in Argentinien geht weiter

Umstrittene Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Nach wie vor keine Beweise für Schuld. Anwälte sprechen von Inszenierung

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Die ehemalige argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner muss sich weiterhin gegenüber der Justiz verantworten, auch wenn es nach wie vor an stichhaltigen Beweisen fehlt
Die ehemalige argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner muss sich weiterhin gegenüber der Justiz verantworten, auch wenn es nach wie vor an stichhaltigen Beweisen fehlt

Buenos Aires. Während der Regierung von Präsident Mauricio Macri in Argentinien die Kontrolle über die Wirtschaft entgleitet und der jüngste Parteifinanzierungsskandal die Regierungskoalition erschüttert, verstärkt sich der Druck der Justiz und der regierungsnahen Medien auf die ehemalige Präsidentin und aktuelle Senatorin Cristina Fernández de Kirchner, die seit einigen Wochen bei den Umfragen zu den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr in Führung liegt. Zuletzt kam es zu weiteren umstrittenen Durchsuchungen, deren Umsetzung viel Kritik hervorrief und schließlich ohne konkrete Ergebnisse verlief.

Zwischen dem 24. und 27. August wurden die Wohnräume der  Senatorin in Buenos Aires, Rio Gallegos und El Calafate durchsucht. Grund für die angeordneten Durchsuchungen waren die Aussagen von Óscar Centeno, dem ehemaligen Fahrer von Roberto Baratta, früherer Subsekretär für Koordinierung und Kontrolle im Verkehrsministerium.

Centeno behauptet, der Verfasser von acht Heften zu sein, geschrieben zwischen 2005 und 2015, bei denen er über seine Arbeit für Baratta penibel Buch geführt habe. Er will dabei beobachtet haben, wie Geld bei Baufirmen abgeholt wurde und in die Präsidentenresidenz nach Olivos gebracht wurde. Die Originale habe er jedoch verbrannt, die Authentizität ist also nicht mehr überprüfbar.

Aufgrund dieser Texte eröffneten Staatsanwalt Carlos Stornelli und der pensionierte Bundesrichter Claudio Bonadío einen neuen Prozess und ordneten in kürzester Zeit zahlreiche Durchsuchungen und Festnahmen an. Die Bitte Cristina Kirchners an den Senat, sicherzustellen, dass ihre Privatsphäre und Rechte bei den Durchsuchungen nicht verletzt würden, blieb erfolglos. Vier Tage lang wurden in den Medien Bilder gezeigt und Details der Prozeduren veröffentlicht. Die Anwälte Kirchners klagen den zuständigen Richter Claudio Bonadío und die Regierung deshalb an, den Vorgang lediglich als mediale Inszenierung zur Ablenkung des wirtschaftlichen Niedergangs und zur Diskreditierung der Ex-Präsidentin veranstaltet zu haben.

Bisher liegt wohl kein einziger tatsächlicher Beweis vor, der Kirchner in Bezug auf die Anschuldigungen überführen könnte. Die immer wieder kolportierten Auslandskonten erwiesen sich bisher als Falschmeldungen und Aussagen von Zeugen sind meist widersprüchlich.

Carlos Beraldi, Kirchners Anwalt, der die Beamten in der Wohnung in Buenos Aires empfing und die Durchsuchung begleiten sollte, wurde auf Anordnung des Richters des Ortes verwiesen, entgegen der Anordnungen des Senats. Aus dem Haus in Calafate wurden, neben zahlreichen Akten, auch Hunderte von Objekten beschlagnahmt, deren Bedeutung mit dem Ziel der Untersuchung nicht ersichtlich waren: persönliche Erinnerungstücke, Skulpturen und Gemälde, dazu die dort bewahrten Präsidentenschärpen und -stäbe von den jeweiligen Präsidentschaftsperioden von Nestor und Cristina Kirchner. In der Wohnung in Buenos Aires wurden erhebliche Schäden bei der Suche nach Hohlräumen und vermeintlich dort versteckten Tresoren angerichtet. Mittlerweile ordnete Bonadio an, einige der beschlagnahmten Objekte wieder zurückzugeben.

Zudem wurde im Nachhinein gemeldet, dass das Hauspersonal bei der Säuberung der Wohnung mit einem Reizstoff in Kontakt kam, der Irritationen an Haut und Schleimhäuten verursachte. Sie mussten im Krankenhaus behandelt werden. Kirchner soll mittlerweile erklärt haben, nicht mehr in ihre Wohnung in Buenos Aires zurückkehren zu wollen, da sie befürchte, bei der Durchsuchung seien auch Instrumente wie Kameras und Mikrofone zu ihrer Überwachung installiert worden.

Ein weiteres Detail zu den nun laufenden Ermittlungen: Im Jahr 2016 wurde das "Ley del arrepentido" verabschiedet, das Beschuldigten einen Strafnachlass bzw. -befreiung ermöglicht, wenn sie Informationen bieten, die zur Klärung des Falles führen. Unter Anwendung dieser Regelung legten einige der beklagten Geständnisse ab, die zu weiteren Festnahmen führten.

Brisant ist zudem, dass der ehemalige Chef der mächtigen argentinischen Baukammer, Carlos Wagner, eingestand, dass zwischen 2004 und 2012 ein Kartell mit den größten Baufirmen des Landes agierte, um sich untereinander Aufträge zuzuschanzen und die Preise für öffentliche Bauvorhaben in die Höhe zu treiben. Mit dabei war die Firma IECSA der Macri-Group, Firmenkonglomerat der Familie des Präsidenten, die im Jahr 2007 an einem Cousin verkauft wurde. Diese war und ist noch immer einer der größten Empfänger öffentlicher Aufträge. Diese war und ist noch immer einer der größten Empfänger öffentlicher Aufträge. Bonadío begrenzt seine Untersuchung ohne nähere Erklärung auf die Periode 2008-2015 und spart so den aktuellen Präsidenten aus der Untersuchung aus.