Venezuela legt US-Börsenaufsicht neue Wirtschaftszahlen vor

BIP schrumpft 2014-2016 um mehr als ein Viertel. Schlechte Prognosen für 2018. Regierung beklagt Wirtschaftskrieg, Opposition beschuldigt Regierung

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Die Wirtschaft in Venezuela gerät immer weiter unter Druck
Die Wirtschaft in Venezuela gerät immer weiter unter Druck

Caracas. Venezuelas Regierung hat mit einem Bericht an die US-Börsenaufsicht (SEC) neue offizielle Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes vorgelegt. Dieser enthält Angaben zu den wichtigsten Kennzahlen wie Bruttoinlandsprodukt (BIP), Preisentwicklung, Zahlungsbilanz und Arbeitslosigkeit für das Jahr 2016, die das Ausmaß der anhaltenden wirtschaftlichen Krise in dem südamerikanischen Land erahnen lassen.

Demnach ist Venezuelas Wirtschaftsleistung 2016 um 16,5 Prozent gesunken. Bereits in den Jahren zuvor sank das BIP gegenüber dem Vorjahr um 3,9 Prozent (2014) und 6,2 Prozent (2015). Für die Dreijahresperiode 2014-2016 verzeichnete Venezuela einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um rund ein Viertel. Die durchschnittliche Inflation betrug 2016 laut Bericht rund 255 Prozent.

Die schwere Wirtschaftskrise, in der Venezuela sich befindet, lässt sich auch an den Ein- und Ausfuhrzahlen ablesen. Zwischen 2014 und 2016 sanken die Exporte von 74,7 auf 27,4 Milliarden US-Dollar, während die Importe von 47,5 auf 16,4 Milliarden US-Dollar schrumpften. Im selben Zeitraum halbierten sich Venezuelas Devisenreserven von 22,1 auf rund elf Milliarden US-Dollar.

Ein aktueller Bericht der US-amerikanischen Investmentbank Torino Capital zeichnet diese Tendenzen fort. Er schätzt für 2017 einen weiteren Einbruch der Volkswirtschaft um rund 13 Prozent sowie eine Teuerungsrate von rund 1.000 Prozent. Für 2018 prognostiziert die Bank einen erneute Rückgang des BIP um 2,5 Prozent sowie eine Inflation von über 10.000 Prozent. Der Chefanalyst der Bank, Francisco Rodríguez, schreibt mit Blick auf Venezuela vom "bedeutendsten Abschwung in der Wirtschaftsgeschichte Lateinamerikas".

Verantwortlich für die wirtschaftliche Misere ist zum Teil der gesunkene Ölpreis. Der Verkauf von Erdöl und Erdölprodukten machte zwischen 2012 und 2015 durchschnittlich knapp 96 Prozent der Exporterlöse aus. Doch auch die leichte Erholung der Ölpreise ab 2016 führte nicht zu einem Aufschwung. Stattdessen schrumpften laut dem Regierungsbericht weitere Sektoren der venezolanischen Wirtschaft wie der Bausektor und der Transport sowie Handel, Produktion und Finanzdienstleistungen.

Weitere Gründe für die Wirtschaftskrise sind umstritten. Die Regierung von Präsident Maduro beklagt seit Jahren, einem "Wirtschaftskrieg" ausgesetzt zu sein. Der Ökonom und Regierungsberater Alfredo Serrano Mancilla warf unter anderem den US-amerikanischen Ratingagenturen vor, Venezuela mutwillig schlecht einzustufen, was die Aufnahme neuer Kredite erschwere, obwohl das Land bisher allen internationalen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. Auch die US-Sanktionen würden die Refinanzierung der venezolanischen Schulden massiv verteuern und den Handel mit Drittstaaten behindern. Der US-Ökonom Mark Weisbrot hat bereits seit längerem darauf hingewiesen, dass die Sanktionen der USA zu einer weiteren Verschlechterung der Versorgungslage in Venezuela führten.

Der UN-Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, Alfred de Zayas, kritisierte nach einem Besuch in Venezuela ebenfalls die Sanktionen. "Was in Venezuela zu beobachten ist, sind die Folgen eines gezielten Wirtschaftskriegs", sagte de Zayas in einem Interview. Er kritisierte insbesondere die Regierungen der Nachbarländer Kolumbien und Brasilien dafür, dass sie den Handel mit aus Venezuela geschmuggelten Waren nicht unterbinden.

Ganz andere Töne kommen aus den Reihen der venezolanischen Opposition. Das oppositionelle Parteienbündnis Tisch der demokratischen Einheit (Mesa de la Unidad Democrática, MUD) wirft der Regierung seit langem wirtschaftliches und politisches Versagen vor. So sprach der Abgeordnete Luis Emilio Rondón am Mittwoch sinnbildlich von einem "Loch", in das die Wirtschaftspolitik von Maduro und dessen Vorgänger Hugo Chávez das Land gestoßen habe. Venezuelas Wirtschaft befinde sich durch die Schuld der Regierung in einer "tragischen Lage".