Hauptverfahren in Kolumbien gegen Bruder von Ex-Präsident Uribe wegen Paramilitarismus

Anklage wegen Mord und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Gerichtshof erkennt nur wenige Beweismittel an. Sieben von zwölf Zeugen ermordet

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Santiago Uribe, Bruder des Senators und Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, soll die paramilitärische Gruppe "Die 12 Apostel" geleitet haben
Santiago Uribe, Bruder des Senators und Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, soll die paramilitärische Gruppe "Die 12 Apostel" geleitet haben

Bogotá. Die Gerichtsverhandlung gegen den Großgrundbesitzer Santiago Uribe wegen Paramilitarismus hat begonnen. Die Staatsanwaltschaft hatte im Juni die Anklage wegen Mord und Bildung einer kriminellen Vereinigung trotz Einspruch der Verteidigung bestätigt. Es sei eine "belegte Tatsache", dass Uribe die paramilitärische Gruppe "Die 12 Apostel" geleitet hätte, hieß es in der Anklageschrift. Der Bruder des ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe sitzt seit Februar 2016 in einem nahe bei Medellín gelegenen Bataillon in Untersuchungshaft. Nun muss ein Gericht in dieser Stadt den Fall behandeln.

Bei der ersten Sitzung des Hauptverfahrens am Freitag hat der Richter 90 Prozent der Beweismittel der Verteidigung abgelehnt. Der Anwalt von Uribe, Jaime Granados, hat dagegen Einspruch eingelegt und soll ihn am 27. Oktober in einer weiteren Sitzung begründen. Der Richter hat allerdings auch 70 Prozent der Beweismittel der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Bei der Verteidigung handelt es sich um 86 Beweise, von denen sich Uribe erhoffte, den Prozess in die Länge zu ziehen, so Uribes Kritiker. Unter den 86 Beweisen befinden sich 49 Aussagen, von denen der Richter nur neun zum Verfahren zuließ. Abgelehnt wurden unter anderem Aussagen vom aktuellen Vizepräsidenten und Ex-Polizeioberbefehlshaber Óscar Naranjo sowie von Álvaro Uribe.

Parallel zum Prozess bearbeitet der Oberste Gerichtshof den Antrag auf Freilassung von Uribe. Die Verteidigung strebt an, dass der Angeklagte während des Hauptverfahrens auf freiem Fuß sein darf. Am 18. Oktober soll der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung darüber mitteilen.

"Die 12 Apostel" sollen laut der Staatsanwaltschaft in den 1990er-Jahren einen "Ausrottungsplan" gegen Randgruppen der Gesellschaft wie Drogensüchtige, Kleinkriminelle sowie angebliche Unterstützer der Guerilla im Norden des Departaments Antioquia durchgeführt haben. Das Justizorgan führt ein Register von circa 400 Kleinbauern und Einwohnern der Region, die zwischen 1990 und 1998 von Paramilitärs umgebracht wurden.

Die regionale Staatsanwaltschaft von Medellín hatte im Jahr 1995 eine Ermittlung gegen Santiago Uribe wegen paramilitärischer Verbrechen in die Wege geleitet. Zeugen erzählten bei den Ermittlungen anonym, wie Santiago Uribe und andere Großgrundbesitzer der Region, Polizeiangehörige und sogar ein Priester sich zusammengeschlossen hatten, um eine private Armee im Landkreis Yarumal in Antioquia zu gründen. 1999 sind die Ermittlungen jedoch ohne Begründung eingestellt und erst im Jahr 2013 wieder aufgenommen worden.

Inzwischen will der Oberste Gerichtshof Antioquias den Fall des Kronzeugen, des Majors der Polizei Juan Carlos Meneses, an die im Friedensabkommen mit der Farc vereinbarten Justiz für den Frieden (JEP) übergeben. Meneses wurde wegen des Mordes an einem Busfahrer zu 27 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Laut Meneses habe Uribe den Mord angeordnet. Der Zeuge hatte mehrmals während seiner Inhaftierung angeprangert, man wolle ihn umbringen. Von zwölf Zeugen im Fall Uribe sind bisher sieben unter ungeklärten Umständen ermordet worden.