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Brasilien: "Größter Angriff auf Amazonasgebiet seit 50 Jahren"

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Über 46.000 Quadratkilometer Amazonas-Schutzgebiet sollten in Brasilien für den Bergbau freigeben werden
Über 46.000 Quadratkilometer Amazonas-Schutzgebiet sollten in Brasilien für den Bergbau freigeben werden

Brasília. Per Dekret hat Brasiliens De-facto-Präsident Michel Temer vergangene Woche ein riesiges Naturschutzgebiet im Norden des Landes aufgelöst. Große Teile der über 46.000 Quadratkilometer, deutlich mehr als die Fläche der Niederlande, sollen für den Bergbau freigegeben werden. "Wir wollen neue Investoren anlocken, mehr Wohlstand und neue Arbeitsplätze schaffen", begründet Bergbauminister Fernando Coelho Filho diesen Schritt.

Die 1984 während der Militärdiktatur geschaffene Reserva Nacional do Cobre e Associados (Renca) liegt in den Bundesstaaten Amapá und Pará, nur etwas nördlich des Amazonasstroms. Vor allem Gold soll dort unter der Erde liegen, aber auch große Eisenvorräte, Kupfer und andere Erze. Ab sofort dürfen Konzessionen zum Abbau der Bodenschätze vergeben werden. Die Regierung betonte mehrfach, dass der beschleunigte Abbau und Export von Rohstoffen ein Mittel sei, um das krisengeschüttelte Land wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Der oppositionelle Senator Randolfe Rodrigues will das Dekret von Temer noch stoppen. Es sei verfassungswidrig, weil auch geschützte Indigenen-Gebiete innerhalb des Renca-Territoriums von der wirtschaftlichen Ausbeutung betroffen seien, argumentiert ein in aller Eile eingereichtes Gesetzesprojekt. Dass dieser Vorstoß vom konservativ dominierten Kongress angenommen wird, ist freilich unwahrscheinlich. Rodrigues spricht vom "größten Angriff auf das Amazonasgebiet in 50 Jahren".

Umweltschützer und Menschenrechtler kritisieren die Ausweitung der wirtschaftlichen Ausbeutung mitten im Amazonaswald. In dem Gebiet leben mehrere indigene Ethnien, deren Lebensunterhalt jetzt bedroht sei. Zudem drohten neue Abholzungen und die Beeinträchtigung des ökologischen Gleichgewichts mit den bekannten Folgen für die Erderwärmung und den weiter voranschreitenden Klimawandel.

"Es ist unverständlich, dass die Regierung ohne Dialog und ohne jede Transparenz ein Dekret erlässt, das den Abbau von Mineralien erlaubt und indigene Ethnien sowie den Umweltschutz im Herzen des Amazonas gefährdet", kritisiert Michel de Souza Santos vom WWF Brasilien. Der Vorrang von privaten ökonomischen Interessen sei nicht hinnehmbar. Brasilien sei im Rahmen der UN-Konventionen zu Klima und zu biologischer Vielfalt zahlreiche international verbindliche Verpflichtungen eingegangen, die bei solch einer Entscheidung berücksichtigt werden müssten, ergänzt Santos.
Nach Angaben des Umweltministerium vom Amapá gibt es rund 260 Anträge auf Erkundung und Abbau von Bodenschätzen in dem Schutzgebiet, ein Fünftel davon stammen aus der Zeit vor 1984. "Ein Goldrausch in der Region würde große Schäden verursachen", warnt der WWF. Gefährdet seien vor allem zwei Ethnien, die Aparai und die Wayana, die weitgehend abgeschieden leben und ein ursprüngliches Waldgebiet von über 17.000 Quadratkilometern vor Eingriffen schützen. "Neben Holzeinschlag, Wasserverschmutzung und weiteren Umweltschäden durch den Bergbau ist zu befürchten, dass das Dekret die Konflikte um Landnutzung in der Region weiter anheizt", sagt Brasiliens WWF-Direktor Maurício Voivodic.