Richter in Argentinien wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt

Strafprozess in der Provinz Mendoza. Insgesamt zwölf Urteile zu lebenslanger Haft. Darunter erstmals auch gegen vier ehemalige Richter der Militärdiktatur

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Zahlreiche Angehörige von Opfern der Diktatur in Argentinien und Menschenrechtsaktivisten hatten sich am 26. Juli zur Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude versammelt
Zahlreiche Angehörige von Opfern der Diktatur in Argentinien und Menschenrechtsaktivisten hatten sich am 26. Juli zur Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude versammelt

Mendoza. In der argentinischen Provinz Mendoza ist ein Gerichtsprozess wegen Verbrechen gegen die Menschheit mit einem wegweisenden Urteil zu Ende gegangen. Den 28 Angeklagten wurde Beteiligung an der Entführung und dem Verschwindenlassen von 207 Personen während der Militärdiktatur (1976 – 1983) vorgeworfen. Fast dreieinhalb Jahre nach Prozessbeginn wurden am 26. Juli die Urteile verkündet. Die Richter verhängten insgesamt zwölf lebenslange und 13 Haftstrafen zwischen drei und 20 Jahren. Drei Angeklagte wurden freigesprochen. Das Verfahren war im Februar 2014 durch die Zusammenlegung von mehr als einem Dutzend kleinerer Fälle zu einem sogenannten Mega-Prozess zustande gekommen.

Besondere Bedeutung wird dem Urteil beigemessen, da mit Otilio Roque Romano, Guillermo Max Petra Recabarren, Luis Francisco Miret und Rolando Evaristo Carrizo erstmals auch vier ehemalige Richter als direkt Mitverantwortliche an den Verbrechen zu lebenslang verurteilt wurden. Der Staatsanwaltschaft gelang es nachzuweisen, dass ihre Weigerung, Anzeigen von Angehörigen über Entführungen zu bearbeiten, nicht nur als Pflichtvernachlässigung zu werten ist, sondern eine aktive Tatbeteiligung darstellt. Das Urteil wird daher als wegweisend für künftige Prozesse gegen Angehörige des Justizapparats erachtet. Der Anwalt Pablo Salinas, der die Ökumenische Bewegung für die Menschenrechte (MEDH) als Nebenklägerin vertrat, erinnerte daran, dass ähnliche Prozesse gegen ehemalige Richter derzeit etwa in den Provinzen Córdoba und San Luís in Vorbereitung seien.

In einem Kommentar für die Tageszeitung Página 12 wies der ehemalige Bundesrichter Carlos Rozanski darauf hin, dass sich unzählige Angehörige des Justizapparats während der Militärdiktatur an der Entführung, Folterung und dem Verschwindenlassen von Personen mitschuldig gemacht haben. Sie hätten etwa die Annahme von Habeas Corpus verweigert, oder illegalerweise Prozesskosten aufgebürdet, um Angehörige davon abzuhalten, weiter Anzeigen einzubringen – all das, obwohl ihnen die Existenz von Folterlagern bekannt war.

Die nunmehr zu lebenslang verurteilten Richter hatten auch nach der Diktatur wichtige Posten im Justizsystem inne. Luis Francisco Miret und Otilio Roque Romano wurden sogar erst nach dem Erlass eines Haftbefehls im Jahr 2011 von ihren Funktionen entbunden.

Das Urteil in Mendoza fiel zu einer Zeit, in der die Kritik an der Aufarbeitungspolitik der Regierung von Präsident Mauricio Macri und der Arbeit der Justiz in Fällen von Verbrechen gegen die Menschheit während der Militärdiktatur immer lauter wird. Vor mehreren Monaten hatte ein Spruch des Obersten Gerichts, welcher verurteilten Tätern der Diktatur eine Strafminderung ermöglichte, für internationales Aufsehen und Massenproteste gesorgt. Ebenso wurde verurteilten Täter von Gerichten zuletzt vermehrt Hausarrest ermöglicht. Kritisiert wird nun auch die Verzögerung der großen Strafverfahren, so etwa im Fall des Mega-Prozesses um die Escuela de Mecánica de la Armada (ESMA) in Buenos Aires. Die zuständige Staatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit systematischen Verzögerungstaktiken verhindert werden solle, dass es in absehbarer Zeit zu einer Verurteilung der Angeklagten kommen könne.

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